sp-sprengung für anfänger
im parlamentarischen zirkus bedient mensch sich ab und zu auch mal etwas exotischer mittel, um einen beschluss, eine wahl oder ähnliches zu verhindern beziehungsweise auf bessere zeiten zu vertagen. eine möglichkeit um dies zu erreichen ist der geschäftsordnungsantrag auf feststellung der beschlussfähigkeit, kurz nachdem eine hinreichende zahl von parlamentarierInnen den sitzungsraum verlassen hat. dann wird meist festgestellt, dass das sp nicht mehr beschlussfähig ist und die verbliebenen listen brüllen den sp-verhinderern nach: „undemokratisches verhalten!“. nun hat sich auf der gestrigen sp-sitzung der rcds mal an dieser taktik versucht. er hatte jedoch noch ein paar startschwierigkeiten.
das mittel der beschlussunfähigmachung wurde in der vergangenheit hin und wieder im münsterschen studiparlament genutzt, wenn ein oder mehrere listen einen wichtigen beschluss vertagen wollten oder wenn die mehrheiten im parlament nicht gesichert werden konnten. da dieses mittel doch ziemlich krass ist und die produktivität des parlaments nicht unbedingt fördert, wurde es bisher meist nur angedroht (wie die endlosrede filibuster im us senat) oder bei extremen ausnahmen (über die „ausnahmesituation“ sind sich die listen natürlich nie einig) angewendet.
das sp redete nun auf der gestrigen sitzung über eine resolution für die einführung von mehr fair gehandelten getränken im studierendenwerk münster mit dem ziel coca-cola-produkte zurückzudrängen. gestellt wurde der antrag von einer anti-coca-cola-initiative, die sich gerade neu an der uni münster gegründet hat. die diskussion war so wirr, dass es sich nicht lohnt diese an dieser stelle darzustellen.
das thema coca-cola ist auf jeden fall interessant und wichtig (siehe zb. spon: uni köln boykottiert coca-cola). aber es stellt sich schon die frage, ob es sich für eine kleine süsse resolution lohnt das sp zu sprengen oder ob man das nicht lieber bei dingen wie haushalt oder asta-wahl tun will, wenn man der studischaft wirklich eins reindrücken will. naja die politischen prioritäten setzt eben jede liste so wie sie will oder aber auch anders.
beschlussfähig – einstimmig bei einer enthaltung
kurze rede langer sinn – kurz bevor über die resolution abgestimmt werden sollte, stolzierten alle rcdslerInnen, bis auf einen, der den „go“ stellen sollte, aus dem sitzungssaal. fix den go gestellt und blöd geguckt, als der stellvertretende präsident die im gang stehende meute mitzählt, da „sie sich ja noch in der brücke befinden, wo die sitzung stattfindet“. danach wurde dann gemütlich über die resolution abgestimmt, die bei einer enthaltung einstimmig angenommen wurde.
einige zeit und ein, zwei tops später stellte ein kundschafter fest, dass die sitzung immer noch läuft und so wurde ein anderer parlamentarier wieder reingeschickt und der zweite versuch die sitzung beschlussunfähig zu machen war dann erfolgreich.
na das üben wir aber noch mal, oder?
Lieber Hopowatch-Blogg,
bisher war ich der Meinung, das diese Seite sich tatsächlich bemüht, einigermaßen listenneutral über die aktuellen Geschehnisse der Hochschulpolitik zu berichten. Doch wenn der betreffende Redakteur die Stupa-Sitzung nur ab einem gewissen Zeitpunkt miterleben kann, ist klar, dass es ihm kaum möglich ist, den Gesamtzusammenhang richtig zu überschauen.
Tatsächlich ist das Mittel der Sprenung durch Herbeiführung der Beschlussunfähigkeit ein sehr unschönes politisches Instrument. Doch genauso unschön ist es, dass der berechtigten Antrag des RCDS auf Vertagung, mit der Begründung Gelegenheit zu bekommen sich inhaltlich mit dem wichtigen Anliegen der „Anti-Coca-Cola-Initiative“ auseinander setzen zu können, von der Mehrheit ohne Argumente niedergestimmt wird.
Einen Weltkonzern wie Coca-Cola ohne eigene Recherche unabhängiger Quellen nur auf Vortrag einer Anti-Coca-Cola-Initiave mit einer Resolution des Stupa anzprangern, ist nach Meinung des RCDS unverantwortlich. Das die anderen Listen damit scheinbar kein Problem haben, sagt eigentlich alles.
So sah sich der RCDS genötigt, die einzige der Minderheit zur Verfügung stehende Maßnahme zu ergreifen. Dass das Stupa-Präsidium in derart dreister Weise mit der GO des Stupa umgeht, kann keineswegs toleriert werden und wird derzeit auf Antrag einer anderen Liste überprüft.
Somit ist auch das letzte Wort in dieser Debatte noch nicht gesprochen und ich fordere den Betreiber dieses Bloggs auf, seine Berichterstattung zu diesem Thema zu überdenken um so an die Qualität der sonstigen Beiträge anknüpfen zu könne.
Mit christdemokratischen Grüßen
Till Kaebach
der artikel hatte eigentlich primär das ziel zu erklären was eine sp-sprengung von einer senats-sprengung unterscheidet und wäre so ähnlich ausgefallen, wenn andere listen dieses spielchen gespielt hätten. obwohl gestern wahrscheinlich ein novum in der geschichte der studierendenschaft der uni münster war, dass das spielchen erst im zweiten versuch geklappt hat.
jedem parlament das präsidium, das es verdient oder wo kein kläger, da kein angeklagter. will sagen wenn in der sitzung gegen die go verstossen wird, braucht es auch parlamentarierInnen, die die go kennen und direkt das wort erheben, um auf den verfahrensfehler hinzuweisen. dies ist gestern beispielsweise mehrfach ausgeblieben…
ich muss zugestehen, dass ich die vertagung verpasst hab, aber kann es sein, dass der antrag so spontan war, weil in dieser woche noch eine verwaltungsratssitzung des studierendenwerks stattfindet, worauf diese resolution einfluss nehmen sollte? wenn ja, dann wäre eine vertagungs des antrags sinnfrei gewesen und einem go auf nichtbefassung gleichgekommen, oder? da müssen sich die parlamentarierInnen dann eben überlegen, ob es das gewissen verträgt, wenn das studierendenwerk ein pilotprojekt zu fair gehandelten alternativ produkten durchführt oder auch dagegen stimmen, wenn sie tendenziell eher neoliberal als globalisierungskritisch sind.
noch was zum thema demokratie: wenn eine liste beim antrag auf vertagung eines antrages in einer abstimmung unterliegt, dann ist die wahrscheinlichkeit sehr gross, dass sie, wenn sie gegen den antrag ist, auch in der abstimmung über den antrag selbst, überstimmt wird. das ist parlamentarische demokratie.
Diesmal hat der Botschafter des Ländle bei der Studierendenschaft mal recht.
Durch gute Kenntnis der GO kann man mehr durchsetzen bzw. verhindern als man denkt – aber so lange die ParlamentarierInnen das nicht wissen …