da kommt mensch nach zwei wochen aus dem urlaub zurück und was hat sich in der hopo-szene der uni münster geändert? nichts!
trotz wechselnden kooperationspartnern, konnte der asta wieder keine mehrheit für den haushalt finden bzw. konten die kooperationswilligen listen keine qualifizierte mehrheiten sicherstellende anwesenheit garantieren. und auch bei der suche nach den schuldigen hat sich wenig geändert, das sind nämlich wie immer die anderen.
der studierendenschaft selbst bringt das herzlich wenig, da sie immer noch auf einen haushalt für das jahr 2009 warten muss. einzig der beweis ist erbracht, dass die gegenwärtigen mehrheitsverhältnisse im studierendenparlament der uni münster in sämtlichen konstellation nicht qualifiziert mehrheitsfähig sind.
Ich hoffe, dass nach dem gestrigen Debakel nun endlich die Illusionen weg sind, dass mit den rechten Listen eine Zusammenarbeit grundsätzlich („wir arbeiten mit allen demokratischen Parteien zusammen“) oder in Sachfragen („auch der RCDS kann Vernünftiges fordern“) möglich ist.
Wir sagen seit nunmehr fast einem Jahr, dass die rechten Listen der natürliche Feind einer verfassten Studierendenschafft ist.
Das müssen wir hier auch nicht moralisieren, nach dem Motto: Die Mitglieder der rechten Listen sind alle doof. Es geht hier einfach um klare Gegensätze, die einige nicht erkennen wollen.
Enttäuschte Grüße
Hannes
Hmm, der Kommentar reizt mich ja doch noch zu einer Antwort:
Zunächst einmal die Bezeichnung „Debakel“: Nun ja, offensichtlich hat ein Haushaltsentwurf nicht die Mehrheit bekommen. Aber ist das schon ein Debakel? Selbst objektiv (ich bin natürlich gegen den Haushalt, ohne ihn zu kennen, weil ich im Zweifel gegen alles aus dem Asta bin) wohl kaum. Gibt es halt die Zwölftel-Regelung, wird gespart, tut auch gut.
Warum wegen eines nicht verabschiedeten Haushalts, nicht mir den „rechten“ Listen in Sachfragen zusammengearbeitet werden kann, steht hier auch recht unbegründet herum.
„der natürliche Feind der verfassten Studierendenschaft“. Allein der Sprachgebrauch: -natürliche Feinde – schrieben das andere als die Jusos hieße es schnell: Oh weh, rechtskonservativer Sprachgebrauch. Blut und Boden. Natürliche Feinde.
Aber es kommt ja von den Jusos. Also ist es alles völlig unverdächtig. Glück gehabt. Allerdings: Wo sind die Feindinnen? Oh, weh, wenn dass der Hubsi Heil erfährt, dann heißt es für Dich 10 Stunden Latrinen reinigen beim Zeltlager der Falken!
– Ich zum Beispiel bin Gegner von Verfassten Studierendenschaften und bin der Ansicht, dass sie abgeschafft gehören. Jedoch sind es ja in der Regel die Jusos gewesen, die durch konsequentes Nichtbeachten der GO die VERFASSTE Studierendenschaft ad absurdum führen.
Ansonsten ist es Respekt vor den Wählerinnen und Wählern, die einen ja gerade dafür gewählt haben, so einen Haushalt abzulehnen.
Schon ein bisschen albern, was Du so rumschreibst. Was ich schreibe auch, aber Du willst regieren, ich nicht mal opponieren.
Hmm, die Kommentare reizen mich ja auch zu einer Antwort
🙂
Immerhin wurde gestern abend bei der FK sehr intensiv über den fehlenden Haushalt diskutiert – im übrigen jenseits von den Kategorien rechts – links. Diese Diskussion wird sicherlich in wenigen Stunden im Protokoll der FK-Sitzung online nachzulesen sein, weshalb ich diese hier nicht verdoppeln muss.
Glücklicherweise gehöre ich ja keiner Liste an und kann darum sinnvolle Debattenbeiträge auch jenseits von einem rechts – links – Raster aufgreifen. In diesem Fall mal ein ausdrückliches Lob an Urs, der – wenngleich ich inhaltlich ja gerne einer anderen Meinung sein darf – immer wieder Witz, verbunden mit einer geschliffenen, rhetorisch brillianten Argumentation in die Debatten einbringt. Das mag ich. Und ich hatte auch kein Problem damit, dass vor Jahren der rcds mit einem Spruch von mir StuPa-Wahlkampf gemacht hat („Ba/Ma ja, aber richtig!“). Wenn’s der Sache dient bzw. „auch der rcds kann Vernünftiges fordern“…
Zur Sache: Bedenklich finde es, wenn ein Parlamentarier sich als Gegner der Verfassten Studierendenschaft begreift. Ich vermute mal, dies sei dahingehend auszulegen, dass diese Gegnerschaft sich auf die Verfasste Studierendenschaft in ihrer heute rechtsgültigen Form sowie in der speziellen und aktuellen Uni-Münsteraner Ausprägung bezieht, und nicht grundsätzlich gemeint ist. Insbesondere ohne einen Alternativvorschlag. Ich für meinen Teil habe die letzten Tage etwas in einem Grundgesetzkommentar geschmökert, nämlich der Kommentierung des Art. 5 Abs. 3. Im Abschnitt zur historischen Geschichte wird auf darauf verwiesen, dass die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs.1) schon bei der französischen Revolution proklamiert wurde und ansonsten auf die Weimarer Verfassung zurückgegriffen wurde, die Erfahrungen mit zwölf Jahren Nazi-Herrschaft alledings zu einer Präzisierung der in diesem Artikel genannten Freiheitsrechte führten. Mehr war da nicht zu lesen, muss vielleicht auch nicht sein in einem Grundgesetzkommentar.
Dabei gibt es dazu durchaus noch etwas mehr zu schreiben. Etwas, was interessanterweise auch die Verfasste Studierendenschaft betrifft. Hier die Kurzform, ohne Quellenangaben und wikipedia-links, die wissenschaftlich korrekte Langform dann in meiner Diplomarbeit:
1806/1807 wurde das preußische Heer von Napoleons Truppen vernichtend geschlagen. Der damalige preußische König hatte daraufhin wohl den Spruch getan, dass man, da man offensichtlich militärisch die nächste Zeit keine Schnitte mehr machen könne, vielleicht mal was neues probieren müsse und mal auf die Philosophen hören könne. Und die philosophieren seit Jahren über Bildung, Bildung, Bildung. Lasst uns also mal einen auf Bildung machen.
König befiehlt, die Verwaltung folgt, und plötzlich wird z.B. 1809 der jung-dynamische Spitzendiplomat Wilhelm von Humboldt Sektionsleiter für Kultus und Unterricht, eine extra neu geschaffene Stelle im Ministerium des Inneren. Und der legt los mit seinen Reformen, seine „Agenda 1810“ liegt vor in zahlreichen Zeitungsartikeln und der preußischen Regierung in Form noch zahlreicherer Briefe.
Neben dem Versuch (es bleib beim Versuch), das Schulwesen zu vereinheitlichen, musste er sich auch der Universität als solche annehmen. Die letzten gut funktionierenden Universitäten lagen nämlich plötzlich in der Einflusssphäre Napoleons, die übrigen gingen den Bach runter, da das mittelalterliche Modell nicht mehr zur sich modernisierenden Welt passte und der deutschsprachige Raum im globalen Vergleich im Bereich Hochschulbildung abzuschmieren drohte. Also hat sich der Wilhelm von Humboldt mit seinen Philosophenkumpels zusammengesetzt und – als geübter Spitzendiplomat – eine konsensfähige Vision von Universität entwickelt. 1810 nahm dann die erste Universität der Moderne, die Berliner Universität, heute Humboldt-Universität den Betrieb auf. Wilhelm von Humboldt quittierte danach den Dienst für die Regierung, da ihm von Seiten der Krone keine Aufstiegsperspektive in ein Ministeramt angeboten wurde.
Johann Gottlieb Fichte wurde als „führender Philosoph“ zum Rektor gewählt – allerdings erst im vierten Wahlgang. Ein ganz wichtiges Projekt von Seiten der Sektion, da man einen anderen „führenden Philosophen“, nämlich den jüngst verstorbenen Immanuel Kant, beim Wort nehmen wollte mit seiner Forderung, die Philosophische Fakultät und damit die Philosophie als die Wissenschaft, Kunst und Lebenshaltung, die alle anderen Wissenschaften wie eine Klammer zusammen hält, müsse die Leitdisziplin einer modernisierten Universität sein.
Fichte hält 1811 seine Antrittsrede über die „Einzige Bedrohung der akademischen Freiheit“. Und die sieht er nicht von Seiten des Staates, sondern von Seiten mancher Studenten (Frauen waren noch lange nicht zugelassen…), die unter Universitätsstudium eine Lebensphase verstehen, in der sie saufen, fechten und Frauen flachlegen können, bis sie Manns und ausgetobt genug sind, dass sie Papa über seine Beziehungen in irgendeine gehobene Verwaltungsposition bringt. Diese Studis, meinte Fichte, bringen unsere turbogeile Uni, besetzt mit den besten Profs, die zu haben waren (was auch einfach war, da die besten Profs bislang an Unis waren, die nun in der Einflussspäre Napoleons lagen…), nicht gerade nach vorne…
Soviel zum Vorgeplänkel, nun wird es konkret:
Eine Verfasste Studierendenschaft gab es damals noch nicht. Es gab Burschenschaften. Die hat der Senat, insbesondere aber der Rektor Fichte, nicht ernst genommen.
Die Frage der Gerichtsbarkeit an der Universität war allerdings noch ungeklärt. Das mittelalterliche Universitätsmodell hatte eine eigene autonome Gerichtsbarkeit, bekannt ist vielleicht z.B. der Karzerturm in Tübingen, ein Gefängnis für verurteilte Studis und Profs. Mit der Autonomie der mittelalterlichen Universität war es aber bei der Berliner Universität vorbei. Die war quasi ein Staatsprojekt, finanziert mit öffentlichen Geldern. Erst 1817 wurde im übrigen die Verfassung der Universität unterzeichnet, in der auch die Frage der Gerichtsbarkeit geregelt wurde. 1811 / 1812 kam dann der Präzidenzfall in Bezug auf die Gerichtsbarkeit gegenüber den Studis. Ein jüdischer Student wurde mehrfach von Burschenschaftlern beleidigt, war aber als Jude nicht satisfaktionsfähig – sprich, er durfte sich nicht duellieren und damit seine Ehre wiederherstellen. Was tun? Einige besonnere Burschenschaftler schreiben einen Brief an den Senat und schlagen vor, neben dem üblichen Verfahrensweg des Duells auch eine eigenes studentisches Ehrengericht einzurichten. Es sei ja besser, unblutig die Ehre wiederherzustellen, als dass sich die zukünftige preussische Elite wegen jedem killefitz, der die Ehre angreift, die Rübe einschlagen muss. Der Senat könne ja bei der Auswahl der studentischen Ehrenrichter ein Wörtchen mitreden…
Dieser Vorfall und dieser Brief lösen einen regen Breifwechsel zwischen den unterschiedlichsten Akteuren bis hin zur Sektionsleitung im Innenministerium aus. Rektor Fichte trifft schließlich eine Entscheidung.
Nun geht der Zauber aber erst richtig los. Der Senat fühlt sich nämlich übergangen und angepisst. Noch mehr Briefverkehr. Fichte reicht seinen Rücktritt als Rektor ein, das Ministerium nimmt seinen Rücktritt aber nicht an, sondern ermöglicht eine zeitnahe ehrenvolle Entlassung vom Amt des Rektors. Das war 1812. Zeit lebens besucht Fichte danach nur noch ein einziges Mal eine Senatssitzung.
1813 dann die Völkerschlacht bei Leipzig, Napoleon wird vernichtend geschlagen, Preußen hat wieder ein Heer, der König interessiert sich wieder weniger für die Philosophie, Humboldts Nachfolger als Sektionsleiter, Friedrich von Schuckmann, wird 1814 Minister des Innern, die Reformphase im Bildungswesen ist beendet. Was bleibt und lange Zeit blüht und gedeiht, ist das humboldtsche Modell der Universität der Moderne. Ein internationaler Exportschlager, worauf z.B. der ehemalige Präsident der Uni Harvard (USA) seine deutschen Kollegen immer wieder hinweist.
Wie bereist erwähnt dann 1817 die Verfassung ebendieser Universität, studentische Ehrengerichte gibt es nicht, die Gerichtsbarkeit für studentische Händel liegt beim Staat, die Freiheit von Kunst, Wissenschaft, Lehre und Forschung wird dafür der Institution Universität zugebilligt und findet so ihren Weg in die Gesetzgebung. Befördert wurde dies sicherlich durch den Nachfolger auf Fichtes Lehrstuhl, Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Der kam 1818 nach Berlin und avancierte schnell zum „führenden Philosophen“. 1821 konnte dann Hegels „Grundlinien der Philosophie des Rechts“ die Zensur passieren. Die hegelsche Rechtsphilosophie wurzelt in seinen Überlegungen zum objektiven und absoluten Geist, und hat damit viel mit dem Bildungsbegriff des deutschen Idealismus zu tun. Ein Bildungsbegriff, der weit über die heutige Reduzierung von Bildung auf das bestehende Bildungssystem entfernt ist.
Nun die Kürzestform: Die Idee für eine Verfasste Studierendenschaft kam über das Vehikel eigene Gerichtsbarkeit von besonnenen Burschenschaftlern, wurde aber von Senat und Rektorat abgelehnt, weil hier mehrheitlich das Burschenschaftlerunwesen abgelehnt wurde, und vom Sektionsleiter abgelehnt, weil der sich Einmischung von Studis allgemein in Angelegenheiten der Uni verbat. Knapp hundert Jahre später gab es dann wohl den ersten modernen AStA in Deutschland – und zwar an der Uni Münster.
In sofern hoffe ich sehr, dass Urs angesichts dieser – in meinen Augen – durchaus spannenden Geschichte ein etwas entspannteres Verhältnis zur Demokratie findet. (OK, ich gebe zu, das war jetzt wirklich böse, privat habe ich da überhaupt keinerlei Zweifel…)
Grüßle vom Geschichtenerzähler
Tobias
Lieber Urs,
auch wenn dort „Hannes“ als Name steht, heist das noch lange nicht, das es von der Juso HSG kommt. Ich würde eher auf Hannes Draeger von der Linken.SDS tippen. Von mir, Johannes Engbruch, Johannes Schäfer oder Hannes Thiel stammt der Kommentar oben auf jeden Fall nicht.
Hannes Papenberg
Ich stelle fest:
Tobias schreibt länger als ich lesen will und Urs kennt den Unterschied zwischen Hannes und Hannes Papenberg nicht… na ja kann ja mal auf die alten Tage passieren
Na ja, ich bin zwar Dipl.-Jur., aber erst 24. Im Moment bin ich den 20 noch näher als den 30. Im Prinzip gerade eben Abi gemacht.
Im Gegensatz zu Dir, Gast-Juso, kenne ich in der Tat nicht die feinsinnigen Unterschiede der verschiedenen Hannessen nicht. Das liegt möglicherweise auch daran, dass ich das Glück habe nicht links zu sein. Das bringt es dann mit sich, dass man auch weniger mit linken Leuten rumhängen muss. Probier das mal aus, ist echt gut.
Ich hab in der Tat das irgendwelchen Jusos (ob Thiel, Papenberg oder sonstwelchem Hannes auch immer) zugerechnet. (Draeger nicht, der hat keine Zeit, weil er die Revolution organisieren muss) Na, sei es drum.
Das von Schmudi habe ich noch nicht gelesen. Wenn ich morgen fertig bin, kommentiere ich das auch.
Lieber Tobias,
habe das jetzt doch schon gelesen, wenngleich nicht nachgeprüft. Hört sich aber richtig an. Ist übrigens eine interessante Geschichte. Wie übrigens vieles, was historisch mit Studentenverbindungen und Burschenschaften zu tun hat.
Nur zur Klarstellung, wenngleich Du das glaube ich weißt, aber mal ganz ernst für die Mitlesenden (denen ich allerdings jetzt auch einen Langtext zumute):
Ich war und bin dem Grunde nach nicht Gegner der verfassten Studierendenschaft. Das ist nur die notwendige Verkürzung, die der politische Raum leider oft gebietet.
Ich bin Gegner der Pflichtmitgliedschaft in der verfassten Studierendenschaft. Ebenso wie ich auch gegen die Pflichtmitgliedschaft in IHK und HWK bin. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass die Handwerkskammer gute Dinge macht – war da selbst mal Praktikant in der Rechtsabteilung. Gerade deswegen bin ich mir sicher, dass sich viele Handwerker auch ohne Pflichtmitgliedschaft für dieses attraktive Angebot (Rechtsberatung, Finanzberatung, Weiterbildung u.v.m.) entschieden.
Und auch dem Studenten möchte ich diese Wahlfreiheit die ich dem Unternehmer (und im Übrigen auch den Angestellten im Handwerk zubillige) lassen. In der Tat tut die Studierendenschaft ja auch Gutes, das streite ich überhaupt nicht ab. Wer sich entscheiden möchte, dazuzugehören ist herzlich eingeladen.
U. u. verteuerte sich das für den einen oder anderen. Auf der anderen Seite wäre die Studierendenschaft aber auch gezwungen die Angebotspalette zu verbessern. (Im Übrigen: Das Semesterticket könnte man auch über die Uni organisieren.)
Dagegen kann man natürlich ordnungspolitisch argumentieren: Nämlich, dass von den verfassten Studierendenschaften ein demokratischer, politischer Impuls ausgeht.
Daran glaube ich jedoch, auch aus eigener Erfahrung nicht.
Ich bin durchaus dafür, dass aus den Universitäten gesellschaftliche Impulse ausgehen. Jedoch glaube ich, dass dafür die Basis eine gute fachliche Bildung und Ausbildung und vor allem eine methodische Befähigung der Studenten Grundlage ist und sein muss – also das, wofür der Lehrbetrieb zuständig ist.
Abschließend noch eins, das weiß jeder, der mich kennt: So lange die DEMOKRATISCH GEWOLLTE VS so ist, wie sie ist, muss man selbstverständlich das beste aus ihr machen. Das heißt, die Aufgaben, die ihr zugewiesen sind bestmöglich erfüllen und sein Mandat in den Gremien verantwortungsbewusst wahrnehmen. (Anwesenheit, Mitarbeit, Haltung an die DEMOKRATISCH BESCHLOSSENE Satzung und die DEMOKRATISCH BESCHLOSSENE GO). So steht es jedem anständigen Demokraten an zu handeln.
Wenn man das reale SP danach beurteilt … Oh weh!
Viele Grüße!
Urs
Lieber Urs,
a) Wollen wir mal nen Käffchen trinken gehen und über die Münsteraner Hopo-Szene lästern??? Wir hätten sicherlich eine spassige Zeit…
b) Zu den Quellenangaben meines obigen Exkurses: Leider habe ich das Problem, dass alle Literatur zuhause liegt, zuhause aber das Internet streikt – mein Fehler: never change a running system…
Der Grundgesetzkommentar:
RA Christoph Kannengießer: Kommentar zum GG Art. 5. In: Schmidt-Bleibtreu, Hofmann, Hopfauf [Hrsg.]: GG. Kommentar zum Grundgesetz. 11. Auflage, Carl Heymanns Verlag, Köln / München 2008, Seite 247 und 260-264.
Zur Geschichte der Berliner Universität:
Weischedel, Wilhelm [Hrsg.]: Idee und Wirklichkeit einer Universität. Festschrift zum 150-jährigen Jubiläum der Gründung der Humboldt-Universität. Verlag de Gruyter, Berlin 1960.
Diese Festschrift enthält eine äußerst unterhaltsame Einleitung vom brillianten Schreiberling Weischedel sowie geschätzte 300 Seiten Dokumente, z.B zahlreiche der erwähnten Briefe, Humboldts Synopse der philosophischen Denkschriften zum Thema Neugründung einer Universität oder Fichtes Antrittsrede… Geiler Stoff für Bildungs-Junkies wie mich…
Zu Immanuel Kant, Wilhelm von Humboldt, Johann Gottlieb Fichte, Friedrich von Schuckmann, Georg Wilhelm Friedrich Hegel etc. gibt es zum Teil sehr gute Wikipedia-Einträge. Etwas knapper ist der deutsche Eintrag zum ehem. Präsidenten der Harvard-Universität, Lawrence Summers. Ausführlicher der englische. Interessant sind Zeitungsartikel in den Referenzquellen. Leider nicht online recherchierbar ist eine Rede Summers vor der – meine ich – Hochschulrektorenkonferenz oder einem ähnlichen Gedöns, dokumentiert in DER ZEIT, vermutlich Anfang 2005. Es geht – ratatata – um die Frage, wie man eine Elite-Universität wird und warum sich die Uni Harvard als eine ebensolche immernoch an W. v. Humboldt orientiert. Auch diese Quelle bei mir zuhause abgeheftet…
Ich selbst habe darüber hinaus Biographien von Kant und Humboldt gelesen, zu Fichte in der wunderschönen Philosophischen Hintertreppe des hochgeschätzten Kollegen Weischedel, an der Uni besuche ich seit dem SoSe 2000 immer mal wieder Humboldt-Seminare und gehe hier im AStA auch allen mit meinem Humboldt-Spleen auf die Nerven – frag mal Kurt oder Rudi dazu, dann könnt ihr gemeinsam aufs fröhlichste über mich lästern…
Das reicht wohl mal für’s erste…
Grüßle Tobias
P.S.: Und die liebe Danny hat soeben die FK-Protokolle online gebracht… Juhu, es geht voran…
Euer Protokolllesefanatiker Tobias
@tobias
Sehr interessant. Wenn du weiter bist, würde ich mir das gerne mal anhören!
Du solltest den Begriff „Burschenschaft“ aber lieber vor 1815 meiden und auch danach ist es kein Sammelbegriff für Studentenverbindungen.
Es war ursprünglich ein Kampfbegriff, der alle „deutschen“ Studenten umfassen sollte und gegen die alten Orden, Kränzchen,…, also partikularen Kleinbünde gerichtet war. Eben eine Zusammenführung aller „Burschen/Studenten“ in einer vaterländischen Organisation.
Aber natürlich haben sich gleich die ersten Burschis so zerstritten, dass dieser einheitliche Gedanke erst wieder auftaucht oder usurpiert wurde mit dem Zusammenschluss der AStAs – DSt., dem NSDStB (siehe Diss. Derichsweiler) oder vielleicht auch vom SDS.
Ach, und weil ich so bös bin, nur Restalkohol und imaginierte Weibchen im Kopf habe, hier noch ein Beitrag aus der Geschichte des neuen ASt… ähhm der Studentenverbindungen:
„Um 1922 haben dann die meisten der Kriegssoldaten das Studium beendet. Ein Rest ist geblieben, ein kleiner Rest nur, aber kein guter – Menschen, die infolge des langen Soldatseins den inneren Halt verloren hatten, die sich gefügt hatten in die Ordnung der Verbindung, solange die große Zahl der Mitsoldaten um sie war, die aber trotzdem die innere Ordnung in sich, den Willen zum Arbeiten, zum Fertigmachen nicht aufbrachten. Sie waren für die junge Aktivitas eine peinliche Last, sie waren ein Schaden nach außen – so alte Semester, die zwar dem Studium, nicht aber der Kneipe, dem „Bullenkopp“ aus dem Wege gingen, dienten der Verbindung bestimmt nicht zur Ehre; sie waren ein Schaden nach innen, da sie in keiner Weise für die Jugend Beispiel waren. Geworden ist – auch das muß gesagt sein – aus ihnen nichts – „sie sind verdorben – gestorben“!.“
Lieber funktionierender Juso,
Danke für Deine wertvollen Hinweise und Deine Kritik und – von wem bitteschön ist denn das geile Zitat am Ende??? Solchen Stoff liebe ich…
Leider muss ich hier vom AStA aus alle meine Quellen aus dem Kopf hervorzaubern, da… (s.o.)
aber angeblich gibt es auch ein wunderschönes Zitat vom Max Weber über seine Studienzeit in – ich meine – Heidelberg: Sein Studium habe er damit verbracht, dass er alle anderen unter den Tisch soff und an die Wand gefochten habe. Hat mal vor Jahren ein Soziologie-Lehrbeauftragter in einem von mir besuchten Seminar vorgelesen. Keine Ahnung, wo sich sowas nachlesen lässt, aber es gibt ja auch Max-Weber-Fans, die wissen dass dann sicherlich…
Eines meiner Lieblings-Humboldt-Zitate, wohl in einem Brief an seine Frau: »Gelehrte dirigieren ist nicht viel besser, als eine Komödiantengruppe unter sich zu haben.« Recht hat er, die alte Rakete (bzw. der war damals wol kaum älter als ich heute…).
Nun zu den Burschenschaften: Du hast recht, dass der Begriff schwierig zu gebrauchen ist. Zu Humboldts und Fichtes Zeiten hier also zwischen 1809 und 1812, trifft die Bezeichnung Landsmannschaften den Sachverhalt besser – ein Relikt aus der untergegangenen mittelalterlichen Universität. Und die waren damals extrem deutschlandfeindlich. Immerhin – Deutschland gab es ja auch noch lange nicht, das gibt es ja quasi erst etwa sechzig Jahre später – immerhin etwa drei Generationen oder – es geht ja um Studis – 120 Semester später. Und gerade die Vertreter dieses mittelalterlichen Relikts namens Landsmannschaften waren ja nicht gerade an einem Studienabschluss interessiert, sondern am Saufen, Fechten, an ihrer Ehre und am Weibsvolk. Das Studium in diesem tradierten Verständnis war beendet, wenn man seine Ehre und damit Charakterstärke bewiesen hat, genügend Saufkumpanen kennen gelernt hat, die alle später mal Dank Papis Connections in verantwortungsvollen Posten sitzen werden (heute: Netzwerker) und man sich soweit sexuell ausgetobt hatte, dass man sich nun auch eine Heirat vorstellen konnte. Man sollte vielleicht mal ne Vorlesung besucht oder ein Buch gelesen haben – für einen Studienabschluss war dies aber nicht nötig.
Diese Sichtweise auf Studium deckte sich nun eben überhaupt nicht mehr mit der der damaligen Geisteswelt – von Immanuel Kant über Johann Gottfried Herder, den Humboldt-Brüdern, Goehte und Schiller, den Gebrüdern Grimm bis hin zum radikalsten Deutschland-Fanatiker, Johann Gottlieb Fichte. Und genau der war eben der erste Rektor der Berliner Universität und wollte dieses exzessiv deutschlandfeindliche Studipack am liebsten sofort von der Uni werfen. Für ihn (und für die übrige Rasselbande) war die Uni eben eindeutig eine Wissenschaftsinstitution, und von den Landsmannschaften war keinerlei wissenschaftlicher Fortschritt zu erwarten – nicht mal eine rudimentäre wissenschaftliche Bildung der Abgänger. Damit war kein Staat zu machen, vor allem keiner, der sich nicht auf ein Fürstentum oder Königreich beschränkt. Und auch die Berlinerinnen und Berliner waren anfangs sehr skeptisch gegenüber den Plänen, mitten in der Stadt eine Uni neu zu gründen. Die hatten tierisch Schiss, dass die Saufen-Fechten-Ficken-Studis ihre Töchter entehren und schwängern, um sich als echte Männer zu beweisen. Es war aufgrund des inneren Friedens in der Regierungs-Hauptstadt Berlin quasi preußische Staatsdoktrin, dass dem Landsmannschaftsunwesen von vorneherein ein krasser Riegel vorgeschoben werden sollte. Hat leider nur halbe geklappt…
Ab 1813 hat sich die Mentalität der intelligenteren Burschenschaftler etwas gewandelt. Denn da durfte man mal richtig fechten und schießen und reiten usw, nämlich gegen Napoleon. Und die halbe Philosophen-Rasselbande wollte mitfechten und mitschießen und mitreiten gegen Napoleon, da man hier darauf spekulierte, wenn schon mal mehrere Herrschaftshäuser gemeinsam kämpfen, könnten sie ja nach dem gewonnen Krieg auch gemeinsam mehr Politik machen. Schritt für Schritt zu Staat, und natürlich immer sehr verklausuliert in den philosophischen Texten versteckt und niemals nie direkt beim Namen genannt, Schritt für Schritt hin zu einer modernisierten Gesetzgebung, zu einer Verfassung und zu demokratischen Entscheidungsstrukturen.
Naja, wie bereits geschrieben, es kam anders, der Preußische König hatte nach gewonnener Völkerschlacht kein Bock mehr auf Deutschland (wozu auch???) oder gar Verfassung (igittigitt) oder gar Demokratie (Landesverat!!!) und überhaupt dieses ganze Bildungsgedöns der Wissenschaftsspinnern (und zwar durch sämtliche Disziplinen…). Und wenn die Uni zu blöde ist, die Burschenschaftler entweder für das wissenschaftliche Arbeiten zu begeistern oder von der Uni zu werfen, wird das dass Ministerium des Innern mit dem ganzen möglichen Instrumentarium erledigen.
Paradoxe Situation: Die intelligenteren Burschis freunden sich gerade mit dem Gedanken an, dass Deutschland vielleicht ja gar keine so schlechte Idee sein könne – und machen sich damit vor allem auch in ihren eigenen Reihen unbeliebt – und nun will die Regierung diese Denke massiv unterdrücken. Bei den Studis geht das nämlich noch leichter als bei den Profs, die jahrelang gelernt haben, ihre Werke am äußersten Rande des Erlaubten (Stichwort Zensur) zu verfassen. Oder wie Humboldts Nachfolger Friedrich von Schuckmann ausdrückt: »…der Geist der Zeit schwärmt in Theorien und gefällt sich in Spiel und Wechsel mit denselben. […] Wie aber auch die Köpfe exaltiert sein mögen, so behalten doch die Mägen immer ihre Rechte gegen sie. Wem die Herrschaft über letztere bleibt, der wird immer auch mit ersteren fertig.« Und zu den Mitspracherechten der Studis: »Was der Universität nötig, nützlich und für sie nach den Verhältnissen tunlich sei, werde von der Behörde unter dem Beirat reifer, sachkundiger Männer erwogen, und es gezieme den Studierenden nicht, sich Vorschläge darüber anzumaßen«.
In diesem Sinne
„Lang lebe das StuPa!!!“ (Tobias Schmidt)
„Vorwärts zu Humboldt 2!!!“ (Ulrich Beck)
Und ein dreifaches Hoch auf „die Gelehrten – die unbändigste und am schwersten zu befriedigende Menschenklasse – mit ihren sich ewig durchkreuzenden Interessen, ihrer Eifersucht, ihrem Neid, ihrer Lust zu regieren, ihren einseitigen Ansichten, wo jeder meint, daß nur sein Fach Unterstützung und Beförderung verdiene…“ (Wilhelm von Humboldt)
(Alle nicht näher spezifizierten Zitate aus „Idee und Wirklichkeit einer Universität“, a.a.o.)
Liebe Gemeinde,
Quellen, die zweite…
Soeben im Internet recherchiert:
Zu den Statuten (nicht Verfassung[!!!]) der Berliner Universität:
http://www.hu-berlin.de/hug/aktuelles/newsletter/news_0400/15_html
Die Humboldt-Zitate:
Weischedel: Idee und Wirklichkeit… (a.a.o.), Seite XXII.
Ulrich Beck: Vorwärts zu „Humboldt 2“. In: DIE ZEIT, 11. November 2004, S. 15.
Die Quellenangabe habe ich gegoogelt und hier gefunden:
http://www.bdwi.de/forum/archiv/archiv/97718.html
Das Friedrich von Schuckmann-Zitat:
Weischedel: Idee und Wirklichkeit… (a.a.o.), Seite XXV.
Johann Gottlieb Fichte: Über die einzig mögliche Störung der akademischen Freiheit (Antrittsrede). In: Weischedel, a.a.o. Seite 231-247.
Briefwechsel zwischen Studis, Profs, Senat, Rektorat, der Sektion für Kultus und Unterricht im Ministerium des Innern sowie private Korrespondenz zum Thema an Frauen und Freundinnen: Vgl.: Weischedel, a.a.o. Seite 247-267.
Berichtigung: Wilhelm von Humboldt war 1809 nicht Mitte 30, sondern bereits 42.
Fichte spricht in seiner Antrittsrede nicht von Burschenschaften, sondern von „Landsmannschaften und Orden“. Der Medizin-Prof Christoph Wilhelm Hufeland spricht von den „verderblichen Ideen des sogenannten Burschen-Komments“ (Beide Quellen vgl.: Weischedel, a.a.o. Seite XXVI.) Der Philologie-Prof August Böckh schreibt in einem Gutachten zur Sache von den „Burschikosen“. (Vgl. Weischedel, a.a.o., Seite 263.)
Sodele, damit wäre GG Art. 5, Abs. 3 in der heute aktuellen Auslegung genüge getan…
Gut’s Nächtle vom
Tobias
Der Fall Brogy
oder:
Ideen zum Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit der Freiheit von Kunst und Wissenschaft zu bestimmen
Skizze eines Theaterstückes in drei Akten
von
Tobias Schmidt
1. Akt
1. Szene
(Später vormittag. Rektoratsbüro der Berliner Uni. Die Chefsekretärin Erika Reibach hat soeben frischen Kaffee aufgebrüht. Rektor Fichte kommt erregt zur Türe herein.)
Fichte (im Gehen): Erika, meine Perle, gibt es Kaffee? Ich muss mein Skript für meine Antrittsrede überarbeiten…
Reibach: Soeben fertig geworden. Ihre Tasse – wie üblich steht in wenigen Sekunden auf dem üblichen Platz auf ihrem Schreibtisch. Heute ein Glas Wasser dazu?
Fichte (setzt sich an seinen Schreibtisch): Ja, bitte! Das brauche ich heute – aber vor allem erst mal einen Kaffee. Nicht vorzustellen, wie wir den Betrieb hier am Laufen halten könnten, gäbe es immer noch dieses unsägliche Kaffeeverbot der Krone…
Reibach (stellt die Kaffeetasse und ein Glas Wasser ab, setzt sich an ihren Schreibtisch, der überquillt vor handgeschriebenen Papieren): Hier die letzte Version von gestern abend. Kommen viele Änderungen? So langsam brauche ich drei bis vier Stunden, wenn ich wegen jeder kleiner Änderung das ganze Manuskript neu abschreiben muss.
Fichte: Wir werden den ganzen Text wohl umwerfen müssen! Verzeihen Sie, aber: Scheiße, Scheiße, Scheiße! Der Böckh hat mir gerade im Flur erzählt, dass diese Idioten von den Landsmannschaften einen Brief an den Senat geschrieben haben. Den bekomme ich vermutlich erst nach meiner Antrittsrede zu lesen. Ich kann doch nicht einfach den Termin verschieben. Die Krone möchte doch meine Lobhudelei über sich hören. Die Studierenden sind einfach zu blöde. Wir stellen denen die beste Wissenschaftseinrichtung des ganzen Universums hin, dass selbst Gott neidisch werden müsste, wäre er nicht allmächtig, das ganze auch noch mitten in Berlin, und was haben diese verkorksten Landeier und Adelsschnösel im Kopf: Nix als Streit suchen. Und nun erdreisten die sich auch noch, an den Senat zu schreiben und – das hat der liebe Böckh erwähnt – ein Ehrengericht zu fordern. Wo sind wir denn hier? In meinen Vorlesungen sehe ich diese [Eigenzensur] jedenfalls nie! Wenn es hier nach mir ginge…
Reibach: Nun beruhigen Sie sich doch bitte. Johann, bitte. In drei Stunden ist ihre nächste Vorlesung und dann will heute abend auch noch der Wilhelm vorbei schauen. Die Grimms sind angeblich auch in der Stadt…
Fichte: Erika, wenn ich sie nicht hätte. Wenn ich nicht schon mit meiner Johanna glücklich wäre – ich würde ihnen den Hof machen.
Reibach: Aber Herr Rektor! Wohl zuviel Goethes Wahlverwandtschaft gelesen?…
Fichte: Nein, aber heute früh nochmal zum Wachwerden im Faust geblättert, die Studentenkellerszene. Der Wolfgang ist schon unser Bester!
Gut. Genug geplaudert. Schreiben Sie: Neuer Titel: „Die Studenten stören die akademische Freiheit“. Nein, das geht nicht. Das würde ja ein Artikel für unser Journal geben. Neu: „Über die einzige mögliche Störung der akademischen Freiheit“. Das klingt gut. Hmmm…
(Vorhang)
2. Szene
(Um Mitternacht. Fichte, Humboldt und die Gebrüder Grimm sitzen im Hinterraum einer Kneipe. Mehrere leere Krüge Pfälzer Rotwein stehen auf dem rustikalen Tisch.)
Humboldt: Na Johann, morgen dein großer Tag?
Fichte: Hör mir auf! Die Studenten machen nur Ärger! Ich habe mich heute vielleicht schon aufgeregt – ich möchte da jetzt echt nichts mehr davon wissen. Machst Du mir mein Glas nochmal voll?
Humboldt: Johann! Morgen wird die halbe Krone kommen. Willst Du wirklich noch ein Glas trinken?
Fichte: Sei Du mal ganz ruhig. Tritts einfach als Sektionschef zurück und ich soll nun die ganze Scheiße alleine erledigen? Solche Studenten wie die beiden Herren Grimm hier brauchen wir an der Uni. Und Weibsvolk. Morgen darf wieder keine Frau kommen! So wird das nie was mit der Revolution in Deutschland…
Jakob Grimm: Vorsicht, vorsicht! Lass dass mal nicht den Schuckmann hören. Der verpetzt das doch gleich wieder dem König. Ne, wenn Du mit der Zensur spielen willst, das haben wir besser drauf. Hab heute mittag noch das alte Märchen vom Schneewittchen verschriftlicht – in Lutherdeutsch. Das ist überhaupt nicht verboten, aber hochgradig revolutionär…
Fichte: Ihr habt ja echt einen Knall. Revolutionär war Kant, Schneewittchen ist ideal zum Lesen lernen für Kinder, aber doch nicht revolutionär?
Humboldt: Verstehe ich auch nicht…
Wilhelm Grimm: Na überlegt doch mal. Wer ist denn die zentrale Figur im Schneewittchen-Märchen?
Fichte: Na, Schneewittchen natürlich!
Jakob Grimm: Daneben!
Humboldt: Ihr habt zuviel Wein getrunken…
Jakob Grimm: Und die böse Stiefmutter ist es nicht, die Zwerge sind es nicht, der Prinz nicht und der König schon gleich zweimal nicht. Neben Schneewittchen sind diese ganzen Figuren für die Gesamthandlung nur Beiwerk.
Fichte: Wieviele Gläser Wein hattet ihr???
Wilhelm Grimm: Jetzt hör mal auf. Unser aller Vorbild Goethe hat für seinen Faust sicherlich auch gesoffen bis zum philosophischen Abspritzen.
Humboldt: Was ist das hier den für eine Sprache??? Ihr seid eigentlich Juristen und redet wie die Bauern.
Fichte: Ich bin auch ein armes Bauernkind gewesen! Dass weist Du Adelsschnösel ganz genau.
Und was Schneewittchen betrifft. Da gibt es doch gar keine weitere Figur! Den Jäger noch, aber damit hat es sich doch…
Jakob Grimm: Genau! Der Jäger. Und was macht der? Der verweigert den Befehl!!! Der betrügt seinen Arbeitgeber. Nur durch seine Befehlsverweigerung kann es letztendlich zur Liebeshochzeit kommen.
Wilhelm Grimm: Und der Jäger entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als astreiner Anarchist. Der verweigert nicht nur den Befehl, der lässt dieses wunderschöne Schneewittchen einfach frei laufen. Der hätte ja auch sonst was mit dem armen kleinen Ding anstellen können. Der Jäger ist aber ein wahrer Gentleman, wie die Angelsachsen sagen würden.
Jakob Grimm: Und das ist ein so altes und verbreitetes Märchen, dass kann keine Krone auf der Welt verbieten…
Wilhelm Grimm: Und seit Jahrhunderten bekommen die Bauernkinder diese Geschichte erzählt. Bitteschön: Die Bauern in Baden und Württemberg – dass sind doch die bibeltreuesten Anarchisten in unserem geliebten Deutschland…
Humboldt: Ich brauche jetzt auch noch einen Wein…
Fichte: Ja, Deutschland… Und morgen werde ich über einzig mögliche Störung der akademischen Freiheit reden. Ohne Frauen! Und Du, mein geliebes Kollegenschwein Wilhelm, kannst da locker über Allgemeinbildung philosophieren. Du hattest ja auch zeitlebens nie Geldprobleme.
Humboldt: Ja, Deutschland, Staat, Bildung, Universität… Über was haben wir uns die letzten Jahre nicht alles Gedanken gemacht. Immanuel fehlt mir. Den kann auch Goethe nicht ersetzen. Komm, Johann, trinken wir noch einen Schoppen und morgen pfeifst Du die Burschikosen zurecht. Noch habe ich die Hoffnung einer freien Universität nicht aufgegeben…
Fichte: Wart’s ab, in hundert Jahren benennen die dann unsere Universität dann nach Dir – und nicht nach mir, obwohl ich die ganze Scheißarbeit hier machen darf. Prost!
(Vorhang)
3. Szene
(Im Büro von Friedrich von Schuckmann im Ministerium des Innern. Schuckmann sitzt alleine vor seinem Schreibtisch und liest einen Brief. Er spricht zu sich selbst.)
Schuckmann: Fichte hast Du jetzt komplett den Verstand verloren. Willst zurücktreten? Nein, mein Lieber, so nicht! Sekretär!
Sekretär (tritt auf): Ja Herr Sektionsleiter?
Schuckmann: Machen Sie eine Erledigungsliste: 1. Brief an Fichte, oder an den Senat. Weiß ich noch nicht so genau. Der blöde Humboldt mit seinem Freiheits-Spleen…
Gut. 2. Sobald ich Minister des Innern bin: Polizeireform, Gefängnisreform. Die Krone und das Volk, alle sollen zu ihrem Recht kommen. Und die Burschikosen, die kriege ich schon ein. Der Fichte ist echt ein Spinner, denkt, mit seienr Rede könne er irgendwas bewirken. Deutschland! Wenn ich das schon höre… Das kommt frühestens in fünfzig Jahren. Sind wir den Franzosen? Wir sind Preußen! Auch ohne Heer!
Sekretär: Bravo, Herr Minister – äh – Herr Sektionsleiter. Auch ich lehne den deutschen Nationalismus ab – ich hasse ihn geradezu!
Schuckmann: Guter Mann! Moment, sie haben doch auch studiert?
Sekretär: Jawohl! Drei Semester in Königsberg. Sehr viele Freunde gewonnen. Diesen Drecks-Herder beleidigt. Und hier, hinter meinen Kotteletten: Eine wunderschöne Narbe! Hab nämlich die kleine Schwester eines Kommilitonen glücklich gemacht! Die hat gequickt vor Freude! In nur drei Semestern vom Jüngling zum Mann gereift! Ohne ein Buch zu lesen. Lesen habe ich nämlich schon in der Ritterakademie gelernt, wo mich mein ehrwürdiger Vater…
Schuckmann: Es reicht, es reicht. Gehen Sie! Ach, die Liste. Gut. Den Brief schreiben wir morgen. Lassen Sie mich alleine!
(Vorhang)
4. Szene
(Mitternacht. Im Schlafzimmer der Schuckmanns. Das Ehepaar liegt im Bett)
Friedrich von Schuckmann: Eleonore, das war vielleicht ein Tag… Manchmal denke ich, ohne Universitäten würde unser Preußen besser funktionieren…
Eleonore Freiin von Lüttwitz: Und Du wärst Deinen Job los. Komm, Frieder, soll ich mal den kleinen Fridolin küssen, damit Du mal wieder ganz Mann sein kannst und mich zur Frau machst? Ist doch besser, als um diese Uhrzeit über Politik nachzudenken.
Friedrich von Schuckmann: Mein großer großer Fridolin wurde schon lange nicht mehr geküsst, oh Du mein Mausihasischnuckischatzi. Auf die Freiheit! – blöder Humboldt – auf die einzige wahre Freiheit. Auf meine Freiin!!!
Frau Freiin: Mein großer großer Fridolin wird gleich an Deinem Zuckerdöschen, bis…
Eleonore Freiin von Lüttwitz: Red nicht rum. Mein Zuckerdöschen ist schon ganz [Selbstzensur]…
(Vorhang)
5. Szene
(Vormittags. Im Rektoratsbüro der Berliner Uni. Erika Reibach kritzelt an ihrem Schreibtisch gedankenlos auf einem alten Manuskript herum. Fichte liest seine Morgenpost.)
Fichte (legt einen Brief aus der Hand, ist leichenblass):
Das war’s dann wohl…
Adieu deutsche Nation, adieu Universität… Ich bin raus…
Reibach (holt den versteckten Schnaps hervor und füllt zwei Pinnchen. Beim Abstellen vor Fichte küsst sie fast unmerklich mit ihren Lippen auf Fichtes Stirn. Fichte ist darüber total irritiert): Lieber Johann, lassen Sie dass alles doch nicht so an sich ran. Sehen Sie, wenn Sie gehen, was soll ich dann noch hier? Soll vielleicht der Schleiermacher ihren Job machen? Der Chaot? Kommen Sie. Stösschen. Und nach ihrer Vorlesung gehen Sie nach Hause und entführen Ihre bezaubernde Frau ins Theater. Die letzten drei mal musste ja immer ich sie vertreten – und ihre Frau vermisst Sie.
Fichte: Ach Erika – was wäre ich nur ohne Sie?… Ich mach einfach als Philosoph weiter – und Sie entführe ich dann in mein privates Büro. Meine Johanna mag Sie ja wirklich sehr gerne. Gott wird seinen Segen schon geben…
(Vorhang)
(Ende des ersten Aktes)
Also man muss tatsächlich sagen: Hopowatch kann mittlerweise nicht nur einen wissenschaftlichen, sondern auch einen literarisch-dramatischen Anspruch geltend machen.
„Kants unmittelbarer Nachfolger Fichte (1762 – 1814) verzichtete auf die „Dinge-an-sich“ und trieb den Subjektivismus in einer Art auf die Spitze, die schon an Wahnsinn grenzt.“
(Bertrand Russelll)
Quellen, die dritte…
Das Russell-Zitat:
Bertrand Russell: Philosophie des Abendlandes. Europaverlag, Zuerich 1950, Seite 727-728.
Fichte in der Philosophischen Hintertreppe:
Wilhelm Weischedel: Die philosophische Hintertreppe. Deutscher Taschenbuch Verlag, Muenchen 1975, Seite 188 – 199.
Humboldt fuer Einsteiger_innen und Fortgeschrittene:
Speziell fuer die Zeit zwischen 1807 und 1813, bestens editiert, mit zahlreichen hochaktuellen Bezuegen und nur 24 Seiten lang, also der ultimative Geheimtipp:
Sauermann, Astrid: Bildungsbegriff und Bildungsreform Wilhelm von Humboldts. Eigenverlag, Muester 2006.
Alleine die Literaturliste ist ein Eldorado fuer Humboldt-Freaks…
Nur 188 Seiten lang, bestens editiert usw.:
Berglar, Peter: Wilhelm von Humboldt. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 1970.
Als Skript liegt mir vor:
Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung. Band 6. Von der Franzoesischen Revolution bis zum Wiener Kongress 1789 – 1815. Reclam o.O. o.J., Seite 382 – 390.
W. v. Humboldt beim geliebten Ludwig Fertig:
Fertig, Ludwig: Bildungsgang und Lebensplan. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1991, Seite 92-96.
A. v. Humboldt ebd., Seite 60 – 63.
Das war’s fuer heute…
Gruessle Tobi
Das Zitat ist aus „90 Jahre Sauerlandia“.
Ja, die „Verbindungen neuen Typs“ sind nicht aus dem nichts gekommen, sondern haben viel vom Lebensstil der älteren studentischen Zusammenschlüsse fortgeführt. Der „burschenschaftliche Gedanke“ hat nur eben etwas dezidiert politisches, was die früheren nicht haben.
Verbindungen mit (grob) den heutigen Strukturen gibt es auch erst in der Kaiserzeit.
Hallo funktionierender Juso,
Danke für die Quellenangabe. So präzise kann ich nun leider nicht sein. In Goethes Faust, erster Teil, gibt es die Studentenkeller-Szene. Da wird ein Lied angestimmt. Ein Student will nicht mitsingen: „Pfui, ein politisch Lied…“. Oder so ähnlich…
Tobias
„Hier hätte ich für mich und meinen Freund Goethe einen Tisch bestellt!“
(Amalie Fürstin von Gallitzin)
„Planen lässt sich das nicht…“
(John Dewey)
In eigener Sache:
Um mich hier nicht weiter in aller Ausführlichkeit der Freiheit von Kunst und Wissenschaft verbreiten zu müssen, habe ich beschlossen, nicht nur meine geplante Diplomarbeit weiter zu schreiben, sondern diese auch noch heraus zu geben (geplanter Veröffentlichungstermin: 30.02.2021) und die Kurzform in Form eines Theaterstückes in 33 Akten (geplanter Veröffentlichungstermin: 20.01.2525). Geiler Plan!
Grüßle aus der pädagogischen Provinz
Tobi