studentische piraten wollen in münster eine piraten-hochschulgruppe gründen und zu den nächsten studierendenparlamentswahlen antreten. ein erstes treffen ist für nächsten mittwoch in der f24 geplant.
damit würde in münster die sechste parteinahe hochschulgruppe zu wahlen antreten. ob und in wie weit sich das partei- und parlamentarismusverständnis dieser doch recht jungen mutterpartei noch entwickeln wird darf mit hoffnungsvoller spannung beobachet werden.
ob an dieser stelle das motto „klarmachen zum ändern“ für den sp-wahlkampf passend ist, darf natürlich bezweifelt werden, da das studierendenparlament ja bekanntlich alles kann, ausser ändern.
grundrechteeinklagend
passend zum thema grundrechte hat hopowatch nach dem urlaub ein urteil des verwaltungsgerichts münster zum verbot der anlasslosen videoüberwachung von demonstrantInnen wohlwollend zur kenntnis genommen. damit gibt es nun ein urteil mehr, das versucht den fortschreitenden grundrechtseinschränkenden maßnahmen der staatsgewalt grenzen aufzuzeigen.
ob sich die ordnungsmacht dieses urteil zu herzen nimmt und zukünftig wirklich auf einschüchternde videoüberwachung von friedlichen demontrantInnen verzichten wird, bleibt zu bezweifeln. ein anlass wird im zweifel sowieso immer gefunden und wenn mal keiner aufzufinden ist oder ein richter es wagt vorbehalte zu haben, dann ist mindestens gefahr im verzug.
Grundsätzlich begrüße ich es, wenn neue Leute in der Münsteraner „Hopo-Szene“ erscheinen, auch wenn sie politisch eher „links“ scheinen. (Außer Martin Langhorst und mir trifft sich wohl kaum jemand, der liberal oder konservativ gesinnt ist in der F 24 ;-))
Allerdings glaube ich erst, dass es neue Leute sind, wenn ich die Wahlliste sehe. Die Gefahr, dass dort alte Hopo-Recken sind, die bei anderen (linken) Listen nicht mehr unterkommen ist durchaus groß.
Gibts hier eigentlich auch nochmal kritische Berichterstattung aus der münsteraner Hoposzene? Komischerweise gibt es seit der neue AStA im Amt ist weder Berichte über Sitzungen des StuPa noch über eben jenen AStA hier. Nichtmal zum schon wieder geplatzten Haushalt gibt es hier einen echten Aufschrei. Statt dessen erzählt mir der Finanzreferent seit Wochen, er könnte mir Gelder meiner Fachschaft nicht auszahlen wegen der Zwölftelregelung.
Da ist das Studium der LSI Homepage aufschlussreicher als hier vorbei zu schauen.
Neuigkeiten aus der pädagogischen Provinz…
Aus der Rubrik „Kurz und knapp“ – Schmuddis Diplomarbeit in zehn Schritten:
2. Preisfrage:
Warum ist das höchste Symbol auf den Kirchtürmen des Domes ein anderes als auf der Spitze der Überwasserkirche?
Tipp: Vgl. Leben und Werk von Echardus de Hochheim. In: Magister Eckhart: Pariser Predigt.
Es gelten die üblichen Vertragsbedingungen: Wer die Antwort als erstes postet, bekommt von mir einen Kaffee gekocht.
Grüßle vom belesenen Tobias
Hey Schmuddi, kannst Du das ein bisschen näher spezifizieren? Kann jetzt noch nicht ganz lokalisieren, welches Symbol Du meinst.
Meister Eckhart ist in der Tat eine der faszinierendsten Figuren der Kirchengeschichte. Habe kürzlich erst eine Karte mit einem Spruch von ihm verschenkt und das zum Anlass genommen, mich mal näher mit ihm zu beschäftigen. Beneide Dich ein bisschen, dass Du das offenbar in Deinem Studienfach kannst.
Hallo Urs,
„Ein Lebemeister ist mehr Wert als tausend Lehrmeister“, sprach der alte Eckhart wohl mal. Und da Du ja nicht nur studierst, sondern auch lebst, kannst Du auch mit Deiner Fächerkombination den Eckhart gebrauchen. Der ist nämlich schuld, dass die Philosophen des Sturm und Drang und des deutschen Idealismus eine Eckhartsche Denkfigur in den Begriff „Bildung“ zusammen gefasst haben.
Lesetipps:
– Meister Eckhart: 6. Predigt
– Birgit Sandkaulen: La Bildung (FAZ November 2004[?])
– Hermann Lange: Schulbau und Schulverfassung der frühen Neuzeit
– Ludwig Fertig: Bildungsgang und Lebensplan. Hier: Brief von Adolph Diesterweg an, ich meine, Peter Heuser.
Filmtipp für heute:
Leroy räumt auf [Kurzversion]
Grüßle aus der bunten pädagogischen Provinz vom
Grisu, der kleine Drache…
… äh, vom Tobi, der vielleicht mal ein Praktikum bei der Feuerwehr machen sollte…
„Ich habe wohl ein Gerücht erregt, dass sowohl meinem Stande schädlich als auch meiner Person empfindlich war… Also musste ich reisen…“
(frei nach Johann Gottfried Herder)
Lieber Urs,
hier der Text des besagten Briefes von Adolph Diesterweg an Peter Heuser aus dem Jahre 1856:
Alter, theurer Freund!
Du bist noch der Alte – freut mich sehr. Gott gebe, noch lange Zeit! Denn die Zeit kann die Alten noch nicht entbehren. Wenn es so fortgeht, legen wir uns ohne Anschauung des Besseren in’s Grab, nicht ohne Hoffnung. Denn „Wahrheit und Recht“ werden siegen“, ist auch meine Überzeugung; ich würde sonst zu Grunde gehen. Darum laß uns den Feinden der Deutschen (herrlichen) Pädagogik entgegen treten.
Ich lasse den Stiehl noch nicht fahren, Nächstens charakterisire ich ihn als Seminardirector. Ich war deßhalb in Neuwied. Er ist ein weltkluger, purer gemüthloser Verstandesmensch, wie alle die, die unter der jetzigen Regierung ihr Glück machen. (Was sagst Du zu unserer jetzigen Kammer? Hat es je schamlosere Menschen gegeben?) Aber Du bist auch noch am Werke. Laß Deine Broschüre auf Deine Kosten drucken. Wenn Du das nicht willst u. keinen Verleger findest, so sende sie mir für die Rhein. Bl., obgleich deren Absatz freilich so abgenommen hat, daß so gut wie nichts mehr herauskommt. Aber ich verlasse den Kern der getreuen nicht. Regierung und Schulinspectoren wirken allenthalben entgegen, und Lehrer sind, wie sie mir selbst schreiben, so feige, daß sie selbst beim Buchhändler keine meiner Schriften mehr zu bestellen wagen.
Meine dritte Broschüre (contra Stiehl) wurde unter den Hammer gelegt. Nach beendigter Voruntersuchung erwartete ich die öffentliche Anklage. Aber plötzlich ließ das Gericht den Verleger kommen u. fragte ihn, ob er geneigt sei, 2 Stellen (2 Wörter) zu ändern, dann solle die Schrift wieder freigegeben werden. Natürlich ging er darauf ein. So war die Sache contra legem todt. Unter der Hand hörte ich, man habe die Regierung in Potsdam, von der ich das eine der incriminierten Worte „brandmarken“ gebraucht hatte, gefragt, ob sie die Verfolgung des Autors wolle. Man habe geantwortet „Nein – der freche Mensch könne am Ende noch freigesprochen werden u. einen Triumpf feiern.“ Man besorgte Scandal, der auch ohne Zweifel entstanden wäre. Denn ich konnte meine Behauptungen durch Thatsachen vertheidigen.
In einem Hefte fragte ich nach den Söhnen des H. – Harnisch, eines Pietisten. Auf Dich ging es nicht. Du bist übrigens auch für den Verf. des Aufsatzes Regulative von dem „älteren Schulmann“ gehalten worden.
Was Du von unseren Rechenbüchern sagst, ist ohne Zweifel das Richtige. Aber ich muß Dir das allein überlassen. Seitdem ich stets zu Feld liegen muß, habe ich alle Zahlen vergessen. Du bist der Mann dafür […]
Heute habe ich das bekannte Börne’sche Gebet 3mal gesprochen. Du kennst es doch?
Wohlan. „Recht und Wahrheit bowan! In Wahrheit und mit Recht“
Dein alter Frd. Dg.
Kannst Du mir nicht einen Mann ausfindig machen, der zu schreiben fähig und bereit ist:
„Das Seminar in Mörs unter Zahn“?
Der Bunsen ist gut, nur nicht consequent. Er verdonnert die freien Gemeinden“. Das darf der Tolerante nicht.
Lies auch „An und wider Stahl von Prof. Müller, Berlin“ 5 Sgr. Der deckt ihm die Schabracke auf. Es muß aber noch besser kommen. Nur „ein allgemeines Feuer“!!!
Rätsel des Tages:
Wie kann John Deweys Philosophie über die Strukturierung einer Planung dabei helfen, den bubblesort-Algorithmus zu verstehen, und warum gelingt das am besten beim Aufräumen???
Surftipp des Tages:
http://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%B6rne
Filmtipp der Woche:
Kooyanisquatsi
Schönes Wochenende wünscht Dir
der Kindergarten-Cop
Tobibubi
Mensch Schmudi,
wie ich Dich beneide! Ich komme mit meiner Hausarbeit nicht klar und Du haust hier Text um Text raus. Zusammengefasst ergibt sich dabei fast schon Deine Examensarbeit… 😉
„Wer lesen kann, ist klar im Vorteil“
(Alte chinesische Weisheit)
„Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!“
(Malocher-Spruch)
„Ein jeder fege vor seiner eigenen Türe“
(Schwäbisches Grundgesetz)
Lieber Dauerstudent,
Aus der neuen Reihe
„Kurz und knapp: Statusreport Tobis Diplomarbeit“
heute:
Bildung 3.D
Von Eckhart über den Humboldtschen Bildungsbegriff zum „späte[… n] Platoniker, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, [… der] den Begriff der Aneignung in die deutsche Geistesgeschichte eingeführt [hat]. Karl Marx hat ihn ausgelegt: „Der Mensch eignet sich sein allseitiges Wesen auf eine allseitige Art an, also als ein totaler Mensch. Jedes seiner menschlichen Verhältnisse zur Welt, Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen, Denken, Anschauen, Empfinden, Wollen, Tätigsein, Leben, kurz alle Organe seiner Individualität … sind in ihrem Verhalten zum Gegenstand die Aneignung desselben, die Aneignung der menschlichen Wirklichkeit; ihr Verhalten zum Gegenstand ist die Betätigung der menschlichen Wirklichkeit.““ (Hartmut von Hentig: Wissenschaft – Eine Kritik. Carl Hanser Verlag, München, Wien 2003. Seite 195.)
Nun verhält es sich so, dass unser Bildungsbegriff auf eine Denkfigur Meister Eckharts zurückgeht: „Wo die Kreatur endet, da beginnt Gott zu sein. Nun begehrt Gott nichts mehr von dir, als daß du aus dir selbst ausgehest deiner kreatürlichen Sichtweise nach und Gott Gott in dir sein läßt. Das geringste kreatürliche Bild, das sich je in dich einbildet, das ist so groß, wie Gott groß ist. Warum? Weil es dich an einem ganzen Gott hindert. Eben da, wo dieses Bild (in dich) eingeht, da muß Gott weichen und seine ganze Gottheit. Wo aber dieses Bild ausgeht, da geht Gott ein. Gott begehrt so sehr danach, daß du deiner kreatürlichen Seinsweise nach aus dir selber ausgehest, als ob seine ganze Seeligkeit daran läge. Nun denn, lieber Mensch, was schadet es dir, wenn du Gott vergönnst, daß Gott Gott in dir sei? Geh völlig aus dir selbst heraus um Gottes willen, so geht Gott völlig aus sich selbst heraus um deinetwillen. Wenn diese beiden herausgehen, so ist das, was bleibt, ein einfältiges Eins.“ (Meister Eckhart: Deutsche Predigten und Traktate. Herausgegeben und übersetzt von Josef Quint. Diogenes Taschenbuch, 1979. Seite 180f.)
In Bezug auf die Geneses des Bildungsbegriffes des Neuhumanismus und des deutschen Idealismus‘ bedeutet dies: Das Bild steht im Mittelpunkt. Gott möchte sich in die Seele einbilden, damit die möglich wird, muss sich das Ich aus der Seele ausbilden. Kurz: Sich ausbilden statt eingebildet sein. Oder: Eigentätige Ausbildung statt eingebildetes Sein. Oder: Sein als lebenslange eigentätige Ausbildung. Und dies, nach Marx, allseitig.
„Alles Gute kommt von oben“, weiß der Volksmund zu berichten, und eben dort müsse auch Gott wohnen, damit er alles im Blick haben kann, um von allem ein allseitiges Bild zu haben. Dies ist wiederum eine Denkfigur, die sich in fast allen Religionen wiederfindet. Von oben kommt auch das Wetter, oben sehen wir Sonne, Mond und Sterne, die seit Menschengedenken Orientierung geben: Räumlich und zeitlich und die Natur fruchtbar erhaltend oder zerstörerisch unfruchtbar machend. Es muss da oben etwas geben, dass sich um Ordnung bemüht.
Da man zu jener Zeit davon ausging, die Erde sei eine Scheibe, so muss sich die „ideale“ Beobachtungsposition dieser Ordnung schaffenden Instanz im Zentrum des Himmels befinden.
Nun: Die Erde ist keine Scheibe, und die Ordnung schaffenden Instanzen befinden sich heute auf der Oberfläche des Planeten verteilt. Für die Kinder sind dies zunächst die Eltern, für Nationen ihre Regierungen, in manchen Weltregionen religiöse Führer_innen oder Warlords oder… – ein Blick in die Zeitungen der Welt genügt, um sich ein Bild zu machen. Und die natürliche Reaktion des totalen Menschen auf dieses „sich ein Bild machen“ ist eine totale Reaktion darauf – eine allseitige Ausbildung. Wilhelm von Humboldt stellte sich die Frage, ob diese allseitige Ausbildung institutionalisiert werden kann. Er kam zum Schluss: Nein. Was aber möglich ist, ist eine institutionalisierte Hilfestellung zur Bildung. Zentral hierbei ist für ihn das Erlernen der Kulturtechniken Lesen und Schreiben, und zwar allgemein, im Sinne von: Alle gemeinsam.
In Zeiten einer neuen Qualitätsstufe der Globalisierung, wie wir sie heute erleben, gehören damit zur Bildung das Internet ebenso wie der allseitige Austausch der Weltbürger im direkten Kontakt, der auch die Facetten schmecken, riechen, fühlen einschließt.
Naja, uswusf, in Bälde mehr.
Rätsel des Tages:
Was wäre passiert, wenn der junge Studi Karl Marx tatsächlich nach Münster gewechselt hätte, um hier am Oberlandesgericht Karriere zu machen, anstatt weiterhin mit seiner Jenny Berlin unsicher zu machen? [Vgl: Karl Marx: Brief an den Vater aus dem Jahre 1837.]
Literaturtipp des Tages:
Janusz Korczak: Der Senat der Verrückten. Eine düstere Humoreske
Linktipp des Tages:
http://de.wikipedia.org/wiki/Panopticon
Filmtipp des Tages:
Toni Gatlif: Gadjo Dilo
Grüßle vom Langzeit-Studi und Dauer-Praktikant
Tobias
„…weil gestern zwischen 6 und 7 Uhr morgens meine Frau von einem bona fide traveller – leider of the „sex“ par excellence – genesen ist. Wäre es ein männliches Wesen, so ginge die Sache schon eher.“
(Karl Marx)
„Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken, die Gott geschaffen und gemacht hatte.“
(Die-Bibel.de)
Neues aus Uhlenbuschs Theoriewerkstatt:
Da heute Sonntag, nur kurz und knapp:
Rätsel des Tages:
Warum stellt sich mir ein Typ mit den Worten vor, er sei von der Kommunistischen Plattform der Linken, und verabschiedet sich mit den Worten: „Und sie wissen ja, ich bin von der kommunistischen Plattform der CDU.“???
Gerücht des Tages:
Als ehem. dreifacher FK-Referent erreichen mich Gerüchte, die die Arbeit der FSen betreffen, naturgemäß ziemlich schnell. Einmal durch die Stadt geschlendert – mindestens zehn Hinweise, wo wem der Schuh drückt…
Offensichtlich wird endlich das Juridicum renoviert – wurde auch Zeit. Angeblich soll sogar darüber nachgedacht werden, die FS räumlich zu erweitern – endlich!!!
Einen juristisch wasserdichten Antrag muss die studentische Fachabteilung für Rechtsfragen wohl noch selber schreiben. Aber da habe ich keine Zweifel, dass dies gelingt. Naja, von meiner Seite noch einen Tipp des Tages: Zusätzlich könnte ja unsere studentische juristische Fachabteilung noch einen Musterantrag für alle FSen entwerfen. Ich z.B. träume seit Jahren von einem Bispinghof-FSen-Zentrum, in dem nicht nur die FSen des FB06 ein eigenes Büro bekommen, sondern auch die RomSlavBalts, gerne auch die angrenzenden theologischen FSen. Guter Plan???
Literaturtipps des Tages:
Wilhelm von Humboldt: Wie weit darf sich die Sorgfalt des Staats um das Wohl seiner Bürger erstrecken? In: Neue Thalia, Bd. 2, H. 5 (1792). Seite 131 – 169.
Werle, Herrmann: Nach der Reform ist vor der Reform
Surftipp des Tages:
http://de.wikipedia.org/wiki/Aktionsb%C3%BCndnis_gegen_Studiengeb%C3%BChren
Youtube-Tipps des Tages:
Filmtipps des Tages:
Jean-Pierre Jeunet, Marc Caro: Die Stadt der verlorenen Kinder
Politisches Statement des Tages:
„Es geht ums Lernen, ihr Dummköpfe“
(Christian Füller)
Neues aus Uhlenbuschs Theoriewerkstatt, Teil II
Da ich gerade voreilig vergessen hatte, mich auch förmlich zu verabschieden, kommt nun eben noch ein Nachklapp:
Da sich meine Diplomarbeit – wer hätte es gedacht – auch um historische Bildungsreformen im Kindergartenbereich drehen wird, verfolge ich zu diesem Thema natürlich auch die Lokalpresse. In der WN z.B. breitete vor geraumer Zeit Armin Laschet seine Vorstellungen für eine qualitative Reform der ErzieherInnen-Ausbildung aus. Supi, dachte sich der Tobibubi, der Typ hat ja in jeder Hinsicht recht. Jetzt braucht das IfE nur noch den Schulforschungs- und Schulentwicklungszweig auf Kindergartenpädagogik ausweiten, dann können demnächst auch Türkinnen der dritten Einwanderer-Generation über Waldorf-Pädagogik promovieren und sich dann als Multilinguistinnen mit familiärer Praxiserfahrung in Sachen Kinderbetreuung und Haushaltsführung in ihrem multikulturellen Kiez der Bildung der nächsten Generation annehmen.
Der hervorragenden und sehr lesenswerten aktuellen Sonntaz entnehme ich, dass es nach wie vor zu wenig Anlaufstellen für sexuell belästigte Frauen bei kollektiven Trinkgelagen gibt – O’grapscht is. Während meiner Oberstufen-Zeit auf einem süddeutschen feministischen Gymnasium (jaja, so was gibt’s…) hatte ich eine Klassenkameradin, die zusammen mit ihrer Zwillingsschwester bei ihrem jährlichen örtlichen Volksfest bediente. Im Unterricht diskutierten wir damals nicht nur über Frauenbeschwerden und den individuellen Umgang damit, sondern tüftelten auch Lösungsideen für individuelle Probleme aus. Wir überlegten uns damals, ob es wohl möglich sein könnte, einen BH so zu frisieren, dass potentelle Grapscher einen elektrischen Schlag wie bei einer Weidenzaun – Umgrenzung bekommen könnten, ohne dass der Trägerin etwas passiert. Das regt dann vielleicht auch die Männerwelt zum Nachdenken an…
Ach ja, und zum Thema Mikroökonomie und Sexualität empfehle ich die Lektüre von Freuds Nachruf auf Lou-Andreas Salome, die meiner Meinung nach eine der Frauen mit dem weitreichendsten Einfluss auf die europäische Kultur- und Geistesgeschichte ist, obwohl sie nur sehr wenig publiziert hatte. Aber sie hat angeblich für ein Foto ihrer Bergwandertruppe dem jungen Nietsche eine Peitsche in die Hand gedrückt. Der wiederum kam lange nicht klar drauf, dass die gute Lou ihn nicht an sich ran ließ…
Jetzt ist aber gut für heute…
Weintipp des Abends:
Lauffener Katzenbeiser Lemberger 2007 QbA
Musiktipps des Abends:
Fanta 4: Nur in meinem Kopf
Fettes Brot: Nordisch by Nature
Schwoißfuaß: Drägglacher Blues (live)
oder eben
Der Raketen-Tobi startet durch, denn er weiß, in welchem Keller sich noch wo ein Fläschchen leckerer Wein befindet…
Guts Nächtle,
Tobibubi
Schon wieder ich…
Plane gerade mal einen finanzneutralen Demokratie-Praxis-Test für euch HoPos…
… mit einem leckeren Fläschchen Bischoffinger Spätburgunder vom Kaiserstuhl (Vulkanerde!!!) aus dem Jahre 2007, sowie im Youtube-Doppel-Internet-Player:
Eine schweizer Ansage:
Eine amerikanische Ansage:
Damit wäre ein formvollendeter Antrag an das StuPa angekündigt…
Literaturtipp:
Freud, Sigmund: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten…
Freud zur Einführung:
Freud, Sigmund: Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. Alleine der feine jiddische Humor, der an allen Ecken dieser köstlichen und nie live gehaltenen Vorlesungen aufblitzt, macht das schmale Bändchen lesenswert. Leider habe ich es einer Freundin verliehen…
Grüßle vom Weinfeinschmecker und Frauenversteher
Tobi
aus der pädagogischen Provinz,
mein kleines kunderbuntes Häuschen dort steht direkt neben dem vom Raketen-Hesse und dem Chillmaster Neill Young, und zum Fenster schaun die Fantas raus…
Now in the Player:
und
Now the Antrag:
Sehr geehrtes Präsidium des Studierendenparlamentes,
hochgeschätzte Parlamentarierinnen und Parlamentarier,
als Langzeitstudi, der sich seit seinem ersten Semester der Nöte der Erstis annimmt, beantrage ich:
Das Stupa möge den AStA beauftragen, am Hawerkamp eine Ersti-Party zu organisieren. Der Termin sollte sich nicht mit den Partys der FSen überschneiden. Für das Tryptichon soll das Endorphinschub-DJ-Team angefragt werden. Eine angemessene Vergütung aller DJs im Hawerkamp im Rahmen dieser AStA-Ersti-Party wird gewährleistet.
Begründung:
Tanzen macht Spaß und fördert das studentische Beziehungsleben.
Mit hochachtungsvollen Grüßen
Tobias Schmidt
„Das Verbrechen von Solln verstört die Menschen zutiefst; es macht selbst Mutige mutlos; es potenziert die Alltagserfahrungen, die man mit aggressivem Rabaukentum macht. […] Und wenn für innere Sicherheit vor allem die Gefängnisse herhalten müssen, ist eh alles zu spät. Zehn Jahre Haft für einen jungen Straftäter kosten etwa 320000 Euro. Das Geld kann man früher besser einsetzen.“
(Heribert Prantl)
„Ehrenamtliche Arbeit muss sich wieder lohnen!“
(Kein Wahlkampfspruch…)
Liebe Gemeinde,
nachdem soeben für mich etwas unerwartet zwei Meter neben mir ein Atommüll-Endlager in MS gesucht wurde (vgl.: www. endlagersuche.de , http://www.campact.de ), ich um 18h aber einen anderen Termin wahrnehmen möchte und zudem heute um 19:35h Fastenbrechen ist, dieses mal ganz kurz:
Der hochgeschätzte Heribert Prantl von der SZ spricht mir mit seinem heutigen Leitartikel mal wieder voll aus der Seele.
Und da sich der Tobibubi allseitig ausbildet, ist in meiner Seele auch Platz für Gott oder Prantl oder campact oder…
… frei nach Meister Eckhart. Die Birgit Sandkaulen (a.a.o.) drückt das ganze im übrigen sehr schön aus: „Das Wort „Bildung“ hat seinen Ursprung im Althochdeutschen und verweist hier auf die Tätigkeit des „abbildens“, das „Bildnis“ sowie das „Gebilde“. Die Wurzel der „Bildung“ steckt demnach im Bild und im Gebilde als der Gestalt – und hat demzufolge mit dem heute vorherrschenden Aspekt der Erziehung und Ausbildung zunächst nichts zu tun. Bestimmend für die Bedeutung des Ausdrucks sind vielmehr die Hinsichten, die sich im Assoziationsfeld kreativen Gestaltens bewegen.
Dazu paßt, daß die Substantivform Bildung im Spätmittelalter durch Meister Eckhart geprägt worden ist. Im Kontext einer hochspekulativen Theologie deutet der dominikanische Mystiker das Bibelwort, wonach Gott den Menschen nach seinem Bild geschaffen hat, als Akt einer Bildung. Diese hat nicht ein für allemal am Anfang der Welt stattgefunden, sondern vollzieht sich jederzeit in der menschlichen Seele. Indem Gott sich der Seele ein-bildet, wird die Seele zum Bild Gottes.“
Von Eckhart zurück zur heutigen SZ: Der Sportteil ist mal wieder großartig! zur vergangenen Ausgabe der ultimo. Der entnehme ich, dass ein Brauereibetrieb eines sich durch seine Offenheit und Toleranz auszeichnendes Nachbarlandes verschiedene Studi-WGs mit Flüssignahrung dabei unterstützen möchte, mal wieder eine Großraum-WG zu gründen, die ja als Thinktank von unten die Diskussionen rund um die Bildungsstreik-Themen berücksichtigen könnte – wäre zumindest mal mein Vorschlag…
… Außerdem habe ich soeben die ersten 150 Seiten bzw. die ersten vier von vierzehn Kapiteln Vorstudien und Materialsammlung für meine Diplomarbeit ausgedruckt!!! Als zweite Korrekturversion [geschätzte Auflage: 1…]!!! Juhu, juhu, juhu…
… Und wenn ich es morgen schaffe, irgendwo ins Internet zu kommen, gibt es vielleicht meinen ultimativen Literaturtipp zum Thema Reform des Jugendstrafrechts. Die mir (leider im augenblick nicht) vorliegende Ausgabe kostet aber leider 80€, aber vielleicht hat die ULB das Ding eh schon angeschafft.
Außerdem ist schönes Wetter, drum:
Tschüssi von der
bibelfesten konservativ-anarchistischen „kommunistischen Schabrake“ (so ein Funktionär über mich zu alle-fachschaften…)
Tobibubi
den es jetzt ins Grüne zieht…
„Am siebten Tag sollst du chillen…“
(Flashgott)
Kurz und knapp:
Literaturtipp:
Hoffmann, A.: Reformkonzepte im deutschen Jugendstrafrecht. CT Salzwasser-Verlag, 2008.
Hörtipp:
Die stage annoucements zwischen dem 8. und dem 9. Track auf dem schönen Live-Album „Conscious Party“ der kreativen Asian Dub Foundation.
Aktueller Lesetipp:
Die Reportage über Marie Rost in der aktuellen FASZ.
Politische Statements des Tages:
Getränk des Tages: Leitungswasser
Tschüssi,
Tobias
„Hier im Streite offenbarte sich manche widerstrebende Ansicht, und immer fester kettete ich mich selbst an die jetzige Weltphilosophie, der ich zu entrinnen gedacht, aber alles Klangreiche war verstummt, eine wahre Ironiewut befiel mich, wie es wohl leicht nach so viel Negiertem geschehen konnte. Hierzu kam Jennys Stillschweigen, und ich konnte nicht ruhen, bis ich die Modernität und den Standpunkt der heutigen Wissenschaftsansicht durch einige schlechte Produktionen, wie „Der Besuch“ etc., erkauft hatte.“
(Karl Marx)
Guten Morgen,
eine kreative Nachtschicht neigt sich mal wieder dem Ende zu…
Aktuell im Player:
Now I’m going to send me back to school, yeah…
„Ich habe eine ordentlich unselige Fähigkeit, mich jeder Lage anzupassen, und stand, als ich mich versprach, eben auf dem Punkt, ganz und rettungslos in äußeren Verhältnissen unter uninteressanten Menschen zu versinken, als mich meine Verbindung und der sich notwendig darauf gründende Plan , selbständig und und für mich zu leben, plötzlich wie aus einem Schlummer herausriß.“
(Wilhelm von Humboldt)
Now zum Thema öffentliche Sicherheit:
„Wenn einer mit Vergnügen in Reih und Glied zu einer Musik marschieren kann, dann verachte ich ihn schon, er hat sein großes Gehirn nur aus Irrtum bekommen, da für ihn das Rückenmark schon völlig genügen würde. Dieses Schandfleck der Zivilisation sollte man so schnell wie möglich zum Verschwinden bringen.“
(Albert Einstein)
At last: Eine Revolution, die nicht tanzen kann, ist nicht meine Revolution…
Over and out
vom Kaffee-Genieser
Tobi
„Ich hatte viel Zeit damit zugebracht, herauszufinden, welche Rolle die merkwürdige Melodie auf dem Tonband wohl bei der ganzen Angelegenheit spielte – vergebens! Ich konnte einfach keinen Sinn darin erkennen.
Doch – wie so oft im Leben – zaubert das Schicksal gerade in dem Augenblick, in dem man kurz davorsteht, alles hinzuschmeißen, doch noch den rettenden Joker aus dem Ärmel. Ich hatte meinen alten Kumpel Larry angerufen, der seit der Highschool als Musiker durch die Nachtclubs von Waikiki tingelte. Vielleicht konnte er mir sagen, welche Bedeutung die eigenartige Tonfolge hatte. Doch als ich ihm das Band am Telefon vorspielte, breitete sich die Lösung des Rätsels wie von selbst vor mir aus.
Natürlich! Warum war ich nicht schon viel früher darauf gekommen? Die sonderbare Melodie auf dem Tonband hatte mit Musik etwa soviel gemein, wie Gregor Gysi mit dem Wu-Tang Clan. Vielmehr waren die Töne eine für das Tonwahlverfahren verschlüsselte Telefonnummer. Ich brauchte also nur den Telefonhörer abzunehmen und an den Basslautsprecher meiner Stereoanlage zu halten, und schon führten mich die seltsamen Pieptöne direkt in den akustischen Cyberspace des Fischmob…“
(Norbert Langer, 1998)
Neuigkeiten aus der beliebten Reihe:
Kurz und knapp: Quellenkunde aus Tobis Theorielabor
Heute zum Thema: Staatstheorie, Polizei, Wirtschaftsverfassung
Ich fange mal schwerpunktmäßig mit der Wirtschaftsverfassung an, klassisch mit einem Zitat als Intro…
„Vorläufige Erklärung des Titels.
Den juridischen Staat bildet eine geschloßne Menge von Menschen, die unter denselben Gesetzen, und derselben höchsten zwingenden Gewalt stehen. Diese Menge von Menschen soll nun auf gegenseitigen Handel und Gewerbe unter und für einander eingeschränkt, und jeder, der nicht unter der gleichen Gesetzgebung und zwingenden Gewalt steht, vom Antheil an jenem Verkehr ausgeschlossen werden. Sie würde dann einen Handelsstaat, und zwar einen geschloßnen Handelsstaat bilden, wie sie jetzt einen geschloßnen juridischen Staat bildet.“
(Johann Gottlieb Fichte: Der geschloßne Handelsstaat, Ende 1800)
Gestern suchte ich sowohl in meinen Skripten mit Texten von Wilhelm von Humboldt wie auch in der Schrift „Der geschloßne Handelsstaat“ von Johann Gottlieb Fichte nach einer Passage, die sich mit dem Großprojekt „Kanalbau für die Binnenschifffahrt“ befasst. Bei Humboldt wurde ich auf die schnelle nicht fündig, dafür eine Andeutung bei Fichte:
„Endlich Aufmunterung der Handlung für und anstatt des Auslandes, indem die Nation sich zum Zwischen= und Speditionshändler der einzelnen Nationen des großen Handelsstaats, zu ihrem Schiffer und Fuhrmanne für Wasser und Land aufwirft, und dadurch von neuem für ihre Mühe, und ihren Handelsvortheil gewinnt.“
[Johann Gottlieb Fichte: Der geschloßne Handelsstaat. In: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Herausgegeben von Reinhard Lauth u. Hans Gliwitzky. Friedrich Frommann Verlag, Stuttgart-Bad Cannstatt 1988. Band I.7, Seite 105]
Diese Schrift kam Ende 1800 heraus. Zu jener Zeit war in Frankreich Napoleon gerade von seinem misslungenen Ägypten-Feldzug zurückgekehrt:
„Mit viel Glück segelte er durch die Blockade der Royal Navy und erreichte am 30. September [1799, TS] Ajaccio auf Korsika. Das französische Festland betrat er bei St. Raphael wieder am 9. Oktober. In Frankreich spielte das Scheitern der Expedition kaum eine Rolle, vielmehr wurde Bonaparte bei seinem Weg nach Paris als Volksheld gefeiert. Viele Bürger erhofften sich von ihm militärische Erfolge und die Wiederherstellung des Friedens in der Außenpolitik und innenpolitisch die Überwindung des abgewirtschafteten und korrupten Direktoriums.
[…]
[A]uch in der Regierung selbst spielten Emmanuel Joseph Sieyès und Roger Ducos mit dem Gedanken an einen Staatsstreich und setzten hierbei auf die militärische Hilfe durch Napoleon. Am 9. November 1799 schien der Staatsstreich des 18. Brumaire VIII durch politische Manipulationen zu gelingen. Als sich die beiden Parlamentskammern am nächsten Tag widerspenstig zeigten und eine wirre Rede Napoleons die Lage noch verschlimmerte, wurden die Kammern durch die Grenadiere Bonapartes auseinandergetrieben. Ein Rumpfparlament billigte die Pläne zur Einrichtung der Konsulatsverfassung unter den Konsuln Bonaparte, Sieyes und Ducos. In der Folge gelang es Napoleon als dem ersten Konsul seine Mitverschwörer ins politische Abseits zu drängen und durch die willfährigen Jean-Jacques Cambacérès und Charles-François Lebrun zu ersetzen. Der 30-jährige Bonaparte wurde so als Erster Konsul faktisch zum Alleinherrscher.“
[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Napoleon , zuletzt eingesehen am 24.09.09 um 10:34h]
Für Preußen, auf das die Fichtsche Schrift gemünzt war, gab es also zu jener Zeit keine Bedrohung von Seiten der französischen Nation.
Fast prophetisch angesichts der aktuellen Diskussionen das folgende: Fichte schreibt am 16. August 1800 an seinen Verleger Cotta: „So eben komme ich davon her, eine Idee auszuführen, mit welcher ich seit meiner Bearbeitung des Naturrechts mich trage: die nothwendige Handels=Verfassung eines durchaus rechts= und Vernunftgemäßen Staats aufzustellen: und zu zeigen, wie die wirklichen Staaten zu dieser Verfassung sich erheben können. […] Die Materie hat besonders für den Preussischen Staat, der seit langem das richtige System über HandelsEinschränkung sucht, und in welchem ganz neuerlich über Einführung eines Papiergeldes deliberirt worden, […] sowie für Länder, z.B. die Bäyrischen, ein Zeit=Interesse […] es ist zu erwarten, daß nach geschloßnem Frieden […] dieser Gegenstand in allen Staaten an die TagesOrdnung kommen wird: Das wissenschaftliche Interesse […].“
[ebd., Seite 3]
Ich dachte, ich fall vom Glauben ab, als ich das gelesen hatte…
Und zum Schluss des Wirtschaftsteils ein Zitat aus der Schlussbetrachtung in „Der geschloßne Handelsstaat“:
„So hat man an dem ausgebreiteten Welthandelssysteme uns die Vortheile der Bekanntschaft der Nationen unter einander durch Reisen, und Handelsschaft, und die vielseitige Bildung, die dadurch entstehe, viel angepriesen. Wohl: wenn wir nur erst Völker und Nationen wären; und irgendwo eine feste National=Bildung vorhanden wäre, die den Umgang der Völker mit einander in eine allseitige, rein menschliche übergehen, und zusammenschmelzen könnte. Aber, so wie mir es scheint, sind wir über dem Bestreben, Alles zu seyn, und allenthalben zu Hause, nichts recht und ganz geworden, und befinden uns nirgends zu Hause.
[…]
Kein Staat des Erdbodens, nachdem nur erst dieses System allgemein geworden, und der ewige Friede zwischen den Völkern begründet ist, hat das mindeste Interesse einem andern seine Entdeckungen vorzubehalten; indem ja jeder sie nur innerlich für sich selbst, keineswegs aber zur Unterdrückung anderer, und um sich ein Übergewicht über sie zu verschaffen, gebrauchen kann. Nichts sonach verhindert, daß die Gelehrten und Künstler aller Nationen in die freiste Mittheilung mit einander eintreten. Die öffentlichen Blätter erhalten von nun an nicht mehr Erzählungen von Kriegen und Schlachten, Friedensschlüssen oder Bündnissen; denn dieses alles ist aus der Welt verschwunden. Sie enthalten nur noch Nachrichten von den Fortschritten der Wissenschaft, von neuen Entdeckungen, vom Fortgange der Gesetzgebung, der Polizey; und jeder Staat eilt, die Erfindung des andern bei sich einheimisch zu machen.“
[ebd. Seite 141]
209 Jahre alt, und könnte kaum aktueller sein…
… womit der Übergang zum Themenkomplex Polizei und Polizeireform und aktuell „Innere Sicherheit“ auch schon eingeleitet wäre.
Zum einen habe ich bereits auf Humboldts Nachfolger Friedrich von Schuckmann verwiesen. Zu ihm weiß wikipedia folgendes:
„Ende 1810 nahm er die Tätigkeit als Geheimer Staatsrat im preußischen Innenministerium zu Berlin auf als Chef der Abteilungen für Handel und Gewerbe (dazu gehören auch das Berg-, Hütten- und Salinenwesen ebenso wie das Medizinwesen) sowie für Kultus und öffentlichen Unterricht. In dieser Funktion löste er Wilhelm Freiherr von Humboldt (1767-1835) ab.
Anschließend wurde Schuckmann das erste Mal von 1814 bis 1819 preußischer Staatsminister des Innern. Sein Amtsvorgänger war der spätere Staatskanzler Karl August Fürst von Hardenberg (1750-1822) gewesen, sein Nachfolger nur für ein knappes Jahr 1819 Wilhelm von Humboldt. Anschließend bekleidete Schuckmann erneut das Amt des Innenministers, dem von 1819 bis 1830 auch das Polizeiministerium zugehörte. Ab 1830 beschränkte sich Schuckmann aufgrund seines hohen Alters auf die Aufgaben des Handels und Gewerbes, während Gustav von Brenn sich der Polizeiangelegenheiten annahm (Quelle: Acta Borussia, Die Protokolle des Preußischen Staatsministeriums, Olms-Weidmann 2004, Band 2: 1817-1934/38).
Als Innenminister zeichnete er am 31. Oktober 1816 gemeinsam mit Staatskanzler Fürst von Hardenberg die Urkunde mit den Statuten der Universität Berlin gegen, die zuvor der preußische König Friedrich Wilhelm III. unterzeichnet hatte. Damit wurde der Berliner Universität ihre offizielle Verfassung gegeben, in der die Ziele der Universität, ihre Struktur und Hierarchie, die interne Gerichtsbarkeit, der Vorlesungsbetrieb, die Studienbedingungen und anderes genau festgelegt wurden.
Als Innenminister war Schuckmann auch Leiter des Ministerialausschusses gegen demagogische Umtriebe, der „Königlichen Immediat-Untersuchungskommission zur Ermittlung hochverräterischer Verbindungen und staatsgefährlicher Umtriebe“). Seine Geisteshaltung zeigt sich in seiner Attacke gegen den Dichter E. T. A. Hoffmann: Hoffmann war ebenfalls in dieser Kommission tätig und scheute sich nicht, mit seinem „Meister Floh“ eine Satire gegen die Demagogenschnüffelei zu schreiben. Dafür beschimpfte Schuckmann ihn noch 1828, also Jahre nach Hoffmanns Tod, als böser Geist der Kommission und als Wüstling.“
[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_von_Schuckmann , zuletzt eingesehen am 24.09.09 um 10:50h]
Wenngleich ich zur Zeit keine Ahnung habe, in welcher Form und mit welchen Konsequenzen Schuckmann die preußische Polizei reformierte, so habe ich doch zur aktuellen Diskussion zum Thema „Innere Sicherheit“ nach dem Verbrechen von Solln und dem Amoklauf in Ansbach sowie der medialen Aufbereitung und Kommentierung beider Ereignisse neben dem aktuellen Buch von A. Hoffmann auch noch eine weitere aktuelle Quelle zur Inspiration für eine fortschrittliche Innenpolitik entdeckt – und diese Quelle kostet auch keine 80 Euro, sondern nur 80 Cent:
In der Septemberausgabe des Livestyle-Frauenmagazins „La viva“ befindet sich ab Seite 40 eine lesenswerte Reportage von Gitta Schröder mit dem Titel „Kämpfen für Recht“: „Ist Polizistin ein Traumberuf? Für Dilek Bölükgiray auf alle Fälle. Denn so kann die 34-jährige Berlinerin türkischen Jugendlichen bei Problemen helfen, die sie als Teenager selbst hatte“. Auch trotz der Zwangsheirats-Schmonzette: Sehr lesenswerter Artikel!!!
Der Tobi für seinen Teil hatte jahrelang mit Rollstühlen zu tun, und war in diesem Zusammenhang öfter mal auf Mitmenschen angewiesen, die jetzt nicht zwingend Zivilcourage zeigen mussten, aber Hilfsbereitschaft. Es sind nicht alle Pflaster so eben wie Münster…
Das war aber nie ein Problem. Vor allem dann nicht, wenn Menschen in Uniform zugegen waren – seien es nun Busfahrer_innen (der Klassiker…), oder Müllmänner, oder Polizist_innen. Die waren sich nämlich ihrer gesellschaftlichen Vorbildfunktion bewusst. Dagegen habe ich noch nie eine Überwachungskamera gesehen, die geholfen hätte, einen Rolli in einen Bus oder einen Zug oder eine S-Bahn zu befördern. Für Kinderwägen gilt das gleiche…
Im Übrigen boykottiere ich auch Gastronomiebetriebe, die Probleme damit haben, wenn ich mit Mitmenschen mit (multiblen) Behinderungen dort eine schöne (Arbeits-)Zeit haben will. Bei solchen Angriffen auf die Würde von Mitmenschen, die sich eben nicht so leicht wehren können, habe ich ein Elephantengedächtnis. – Im umgekehrten Fall natürlich ebenso!!!
Wie schwierig das Thema Würde und Gesellschaft und Behinderung ist, konnten am 22.09. die Gäste des AStA-Leseabends in der Baracke erleben. Denn plötzlich sahen wir uns alle konfrontiert mit einer Diskussion um ebendiese Themen im Kontext des Abtreibungsrechtes.
Definitiv keine leichte Kost, aber ich wage mal zu behaupten, dass diese spontane Diskussion hinsichtlich der Diskussionskultur jeder Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages als Vorbild getaugt hätte. Respect!!!
Zurück zu „leicherer“ Kost und leichteren Quellen.
In „ultimos lange[r] Liste des laufenden Schwachsinns“, #137 erfahre ich interessante Details zur Rumänien-Rede eines Ministerpräsidenten.
Wenn ich bedenke, dass all meine Ausführungen hier auf hopowatch damit begannen, dass Kurtikurt mich genervt hatte, ich solle ihm sofort mal was tippen, und sich der Tobi daraufhin dachte, für diese Nerverei kacke ich mal den Kurtikurt auf dem gleichen Wege an, und dieser Ankackversuch dann allerdings erst nach einem Beitrag von Urs veröffentlicht wurde – naja…
Es ist ja inzwischen Wahlkampf, und alle kacken alle an, und der großartige Carsten Krystofiak hat in der aktuellen ultimo mal wieder einen Interviewpartner aus dem Hut gezaubert, der es schafft, in Sachen aktueller Promotionsskandal sowohl die Uni-Leitung als auch die nahezu komplette Studierendenschaft anzukacken. Und der Mann hat – zumindest in Bezug auf die Studis, meiner Meinung nach vollkommen recht!
Sodele, zum Schluss noch eine kleine Medienschelte:
Zur Zeit wird ja allenthalben in der Presse sehr viel über Krebsforschung und Krebstote berichtet.
Nun das Rätsel des Tages:
Welcher berühmte Literat und Kulturphilosoph, der unter anderem den Goethepreis der Stadt Frankfurt verliehen bekam, starb tödlich vom Krebs gezeichnet gestern vor siebzig Jahren in seinem Londoner Exil? Und welches Feuilleton veröffentlichte gestern einen Nachruf???
Wie üblich: Wer als erstes die korrekte Antwort postet, bekommt von mir einen Kaffee ausgetan…
In diesem Sinne,
Grüßle vom Tobias,
dessen Hospitation in der geschlossenen Abteilung der VS jüngst für zwei Wochen unterbrochen wurde, wenngleich mir die Begründung nicht ganz einleuchten mag…
Auflösung des Rätsels des Tages:
Nachruf zum siebzigsten Todestages von Sigmund Freud
„Denn gerade in dieser Zeit ohne greifbaren Charakter hat Deutschland vier Figuren von Weltrang hervorgebracht: Karl Marx (1818-1883), Friedrich Nietzsche (1844-1900), Sigmund Freud (1856-1939) und Max Weber (1864-1920). Vier Figuren von Weltrang – das ist nicht gerade wenig. Und es wäre seltsam, wenn aus einer Gesellschaft innerhalb von fünfzig Jahren vier Männer von überragender Statur hervorgingen, ohne dass ihr Auftreten der Ausdruck einer sinnhaft charakterisierbaren Situation wäre. […] Vor allem sind sie einig darüber, dass der Mensch und sein Handeln aus der Perspektive der Macht, des Kampfes und des Trieblebens zu verstehen sind. […] Die vier Denker werden darum zu Sprachschöpfern und propagieren ein neues Reich der Ausdrücke, das mit ökumenischem Erfolg die Sprache der Philosophie verdrängt: Marx den Klassenkampf, Nietzsche den Willen zur Macht, Freud die Libido, Max Weber die Zweckrationalität des Handelns als die Ananke der Politik und Geschichte. […] Ihnen allen ist das Bemühen gemeinsam, die Werte als Masken für Interessen, Kampf und Triebleben zu enthüllen. […] Ihnen allen ist gemeinsam die Abneigung – man darf sagen: der Hass – gegen den Bürger in seinen Spielarten vom Finanz- und Industriebürger bis zum kleinen Spießbürger, sowie gegen die bürgerlich-verklemmte Eigentums- und Sexualmoral. Und dieser Hass wieder korrespondiert ein Aristokratismus der Haltung, der sich gegen die geistige und intellektuelle, und damit sittliche Verrottung der Zeit auflehnt.“
Eric Voegelin
Am 23. September 2009 jährte sich der Tod von Sigmund Freud zum siebzigsten Mal. Sein Leben und seine wissenschaftliche Laufbahn hat viele Stationen durchschritten. Eines ist er immer geblieben: Neugierig.
Zwei Jahre vor seinem Tod im Londoner Exil verfasste er selbst einen Nachruf auf eine der faszinierendsten Frauen der europäischen Geistesgeschichte. Das Leben und Wirken dieser Dame in nur wenigen Zeilen so treffend darstellen zu können, weist ihn als großen und dabei liebevollen Menschenkenner aus:
LOU ANDREAS-SALOME t
Am 5. Februar dieses Jahres starb eines sanften Todes in ihrem Häuschen in Göttingen Frau Lou Andreas-Salome, nahezu 76 Jahre alt. Die letzten 25 Lebensjahre dieser außerordentlichen Frau gehörten der Psychoanalyse an, zu der sie wertvolle wissenschaftliche Arbeiten beitrug und die sie auch praktisch ausübte. Ich sage nicht zu viel, wenn ich bekenne, daß wir es alle als eine Ehre empfanden, als sie in die Reihen unserer Mitarbeiter und Mitkämpfer eintrat, und gleichzeitig als eine neue Gewähr für den Wahrheitsgehalt der analytischen Lehren.
Man wußte von ihr, daß sie als junges Mädchen eine intensive Freundschaft mit Friedrich Nietzsche unterhalten hatte, gegründet auf ihr tiefes Verständnis für die kühnen Ideen des Philosophen. Dies Verhältnis fand ein plötzliches Ende, als sie den Heiratsantrag ablehnte, den er ihr gemacht hatte. Aus späteren Jahrzehnten wurde bekannt, daß sie dem großen, im Leben ziemlich hilflosen Dichter Rainer Maria Rilke zugleich Muse und sorgsame Mutter gewesen war. Aber sonst blieb ihre Persönlichkeit im Dunkel. Sie war von ungewöhnlicher Bescheidenheit und Diskretion. Von ihren eigenen poetischen und literarischen Produktionen sprach sie nie. Sie wußte offenbar, wo die wirklichen Lebenswerte zu suchen sind. Wer ihr näher kam, bekam den stärksten Eindruck von der Echtheit und der Harmonie ihres Wesens und konnte zu seinem Erstaunen feststellen, daß ihr alle weiblichen, vielleicht die meisten menschlichen Schwächen fremd oder im Lauf des Lebens von ihr überwunden worden waren.
In Wien hatte sich dereinst das ergreifendste Stück ihrer weiblichen Schicksale abgespielt. 1912 kam sie nach Wien zurück, um sich in die Psychoanalyse einführen zu lassen. Meine Tochter, die mit ihr vertraut war, hat sie bedauern gehört, daß sie die Psychoanalyse nicht in ihrer Jugend kennen gelernt hatte. Freilich gab es damals noch keine.
Sigm.Freud
Februar 1937.
Beileibe bin ich nicht in der Lage, für Freud einen nur annähernd so treffenden Nachruf zu formulieren. Hier lasse ich Freuds ehemaligem Meisterschüler Wilhelm Reich den Vorrang. Dieser verfasste 1936 zum achtzigsten Geburtstag Freuds eine Grußbotschaft an ihn. Diese Grußbotschaft hat bereits den Klang eines Nachrufes. An ihr müssen sich sicherlich die Gedenkartikel für diesen großartigen Denker messen lassen:
Wilhelm Reich: Grußbotschaft an Freud
In: Zeitschrift für politische Psychologie und Sexualökonomie. Heft 3/4, 1936. Seite 150ff.
Wenn diese Zeilen die Öffentlichkeit erreichen, wird der Lärm der Feiern verklungen sein und die Gratulanten werden auf den neunzigsten und – wir hoffen es mit ihnen – den hundertsten Geburtstag Sigmund Freuds warten, um diesem Manne neuerdings ihre Ehrerbietung zu bekunden. Es werden wie diesmal viele Artikel erscheinen, die die Daten der „Geschichte der Psychoanalyse“ aus der „Selbstdarstellung“ Freuds sammeln und der breiten Öffentlichkeit vorlegen werden. Andere werden wie diesmal die Hauptgedanken der Freudschen Lehre darlegen und mit mehr oder weniger Überzeugung von ihrem revolutionären Charakter sprechen. Dies ist erfreulich und notwendig.
Uns mussten diese Feiern Anlass zu sehr ernsthaften Überlegungen geben. Soweit die Äußerungen der Welt zugänglich waren, zeigte sich mit unzweifelhafter Gewissheit, dass an keiner Stelle an das Wesentliche des Problems „Freud und seine Umwelt“ gerührt wurde. Es ist noch nicht an der Zeit, in ausführlicher Weise darzustellen, worin sich die Schicksalsgemeinschaft der Psychoanalyse von 1895 bis 1920 und der so jungen Sexualökonomie und der noch jüngeren Sex-Pol-Bewegung ausdrückt. Doch der Anlass des achtzigsten Geburtstag Sigmund Freuds darf nicht vorübergehen, ohne korrekt ausgedeutet zu werden. Es ist unerlässlich, hervorzuheben, was eine ganze Welt verschwieg.
Am 6. Mai 1926 feierten die Mitglieder des Wiener psychoanalytischen Kreises den siebzigsten Geburtstag Sigmund Freuds. Es gab viele Beteuerungen samt dazugehörigen Gratulanten, Blumen und Geschenken. Sigmund Freud hielt eine kurze Ansprache an die anwesenden Schüler, die unvergesslich bleiben wird; niemand wagte, sie der Welt mitzuteilen. Freud warnte. Man dürfte sich nicht täuschen lassen. Die Lobpreisungen bewiesen gar nichts. Die Welt hätte die Lehre nicht akzeptiert. Sie stünde nach wie vor feindselig dazu. Einige Jahre vorher hatte Freud das Gleiche ausgedrückt, als er schrieb, die Welt akzeptiere hier und da die Psychoanalyse, um sie zu zerstören.
Wir stellen uns voll und ganz auf den Standpunkt Freuds vom 6. Mai 1926. Eine Umschau in der Welt und ihren wichtigsten Institutionen belehrt uns, dass es heute schlimmer aussieht als vor zehn Jahren. Wir dürfen keinen Augenblick versäumen, auf der Hut zu sein, denn das Schicksal, das ursprünglich der Psychoanalyse zuteil wurde, bedroht unsere Arbeit in hundertfach verschärften Ausmaßen. Sich über dieses Schicksal ins Klare zu kommen, ist die Voraussetzung nicht nur der Bewahrung der historischen Gemeinschaft mit der Lehre Freuds, sondern auch der eigenen korrekten Arbeit. Wir erleben momentan eine Periode tödlichen Schweigens der akademischen und maßgeblichen Welt. Doch es melden sich bereits Anzeichen einer Methode wohlwollender Vernichtung. Die Sexualökonomie wird in einer Reihe mit den Ablegern Jungs, Adlers, Stekels gestellt. Dummheit und Kritiklosigkeit sind grenzenlos, ebenso wie Bösartigkeit. Wer die Geschichte der psychoanalytischen Bewegung kennt, vermag auf den ersten Blick den Unterschied zu sehen. Alle bisherigen Abzweigungen von der Lehre Freuds kennzeichnen sich durch die Verneinung der Sexualität. Für Jung wurde die Libido ein verwaschener, nichtssagender Allseelenbegriff, die beste Vorbereitung für die spätere Gleichschaltung im Dritten Reich. Adler ersetzte die Sexualität durch den Willen zur Macht, Rank verleugnete die Existenz der kindlichen Sexualität. Die Sexualökonomie dagegen knüpfte gerade an denjenigen Kernelementen der Freudschen Lehre an, die ursprünglich die Wut der Welt entfacht hatten. Sie entwickelte die Orgasmustheorie, die sie vergebens dem psychoanalytischen Lehrgebäude als organisch dazugehörig einzuverleiben versuchte. Sie präzisierte die Lehre von den prägenitalen Sexualtrieben des Kindes, legte feste Fundamente für eine Charakterlehre, die den Sexualprozess als deren Kernstück voraussetzt. Die charakteranalytische Technik erfordert die volle Anerkennung der Gesetze der sexuellen Ökonomie. Man könnte noch reichlich mehr anfügen, um zu zeigen, weshalb die Lehre der Sexualökonomie heute das alte Schicksal der Psychoanalyse zu spüren bekommt. Und sie muss, wenn sie sich ernst nehmen will, alles tun, um die jüngsten Schicksale der Psychoanalyse, so laut die Welt auch Begeisterung vortäuschen mag, zu vermeiden.
Es gibt heute keine offizielle Institution der Welt, sei es auf dem Gebiete der Pädagogik, der Psychiatrie etc. [, TS] die sich Freuds umstürzende Anschauungen ernsthaft zu Eigen gemacht hätte. An welcher Irrenanstalt wird in systematischer Weise die Verursachung von Geisteskrankheiten durch die Schädigung des frühkindlichen Sexuallebens durchforscht? An welcher Stelle akademischer Natur wird der reiche Schatz analytischen Wissens, analytische Forschung gepflegt, in seiner unendlichen Überlegenheit anerkannt. An welcher Stelle hat sich die umstürzende Erkenntnis Freuds konkret ausgewirkt? Wer würde es zuwegebringen, auf der einen Seite seiner Überzeugung von der Größe des Freudschen Werkes laut Ausdruck zu geben und sich dann mit der tröstenden Auskunft zu begnügen, dass ja Analytiker an Universitäten berufen sind und dort lehren? Niemand würde sich ein derartiges Armutszeugnis ausstellen. Wer glaubt, dass in einem Amerika von heute korrekte Sexualtheorie gelehrt werden darf?
Wie sieht es in der psychoanalytischen Bewegung selbst aus? Die englische Schule ist ein sektiererischer, weltabgewandter, jedes Kontaktes mit dem Leben barer Kreis. Die Berliner deutsche Vereinigung versuchte die Gleichschaltung und ging kaputt. Sie steht kurz vor der Auflösung. Die ungarische Gruppe besteht nach den Berichten fast nur mehr aus Hausanalytikern reicher Leute, die weder eine wissenschaftliche Entwicklung aufweisen, noch eine ernste Perspektive haben. Die Wiener Vereinigung steht unter dem Drucke der politischen Reaktion und wird von einigen wissenschaftlich nicht ernst zu nehmenden Todestrieb-Theoretikern beherrscht. Die französische Gruppe sieht trostlos aus. Hat die sozialistische Bewegung die Psychoanalyse akzeptiert? Hier und dort in Worten, weil Freud von der politischen Reaktion gegen seinen Willen nota bene ins Lager des Kulturbolschewismus versetzt wurde. In der Sowjetunion ist die Psychoanalyse seit Jahren ohne jede Entwicklung. Es gab so viel Gerede über die Bedeutung Freuds für die Arbeiterbewegung. An welcher Stelle, fragen wir, ist diese Bedeutung sozialistische Praxis geworden? Nirgends! Sozialisten empfehlen die Literatur reaktionärer Analytiker der Arbeiterschaft als Leitfaden „sozialistischer Psychologie“, wie etwa ein Artikel des Reaktionärs Roheim in einer ungarischen sozialistischen Zeitschrift. Revolutionäre Sozialisten publizieren Artikel zu Freuds Geburtstag, verraten aber komplette Unwissenheit über den heißen Kampf, der seit 10 Jahren innerhalb der analytischen Bewegung um die Problematik: Arbeiterbewegung und Psychologie geführt wurde.
Im Lehrgebäude Freuds gibt es sehr verschiedenartige Feststellungen. Neben der Lehre von der frühkindlichen Sexualität die vom „Primärvorgang“ im Unbewussten; neben der Lehre von der Triebverdrängung die vom Todestrieb; neben der Aussage über die Determiniertheit des psychischen Geschehens die über die „kulturelle Triebverdrängung“ etc. etc. Die Welt schreit nach Klarheit. Es gibt Aussagen, die wir nie mehr entbehren können, andere, die nebensächlich sind, schließlich solche, die verwirren. Man möchte meinen, dass eine wissenschaftliche Vereinigung, die die weltgeschichtliche Bedeutung der Psychoanalyse so sehr beteuert, sich der schlagkräftigen, zukunftsichernden Elemente der Lehre bemächtigt; das Gegenteil ist der Fall. „Weg von der Hauptsache, wir lieben die Nebensache“ ist die unausgesprochene Parole. Sie wird am getreuesten von einigen sich „Sozialisten“ nennenden Psychoanalytikern befolgt; sie meiden die Hauptsache wie die Pest, denn dann stünden sie unweigerlich und augenblicklich mitten in d e m Kampf, den w i r führen und den sie totschweigen. Sie tun alles, um klargestellte Fronten im Kulturkampf zu verwischen. Sie sind gefährlich wie die Prediger der Klassenversöhnung. Sie usurpieren Lehrsätze und sabotieren deren Sinn. Vor ihnen muss gewarnt werden!
Der Niedergang der psychoanalytischen Bewegung, ihre Anpassung an die herrschenden Verhältnisse und demzufolge die Sterilität ihrer heutigen Fragestellungen sollen nicht Anlass persönlichen Vorwurfs sein. Wir haben es gelernt, die Abhängigkeit der Wissenschaft und ihrer Entwicklung von den politischen Prozessen zu beachten. Wir bekannten uns daher zur politisch bewussten Wissenschaft. Wir dürfen sagen, dass wir die umwälzenden Erkenntnisse der Lehre Freuds in sichere Obhut genommen haben. Das verpflichtet, sich Rechenschaft über die aktuelle Situation und die Möglichkeiten zu geben, die den weiteren Verlauf unserer Arbeit bestimmen werden.
Die allgemeine weltpolitische Situation, in der wir mit einer allen heutigen Institutionen und offiziellen Anschauungen widersprechenden Sexualtheorie arbeiten, verspricht Schlimmes. Diese Welt kann die Früchte unserer Arbeit weder anerkennen noch ausnutzen. Haben doch gerade wir nachweisen können, welchen Nutzen die politische Reaktion aus den irrationalen Fühlen und Denken der Masse, ihrer Glückssehnsucht und gleichzeitigen Sexualscheu zieht. Die verschiedenen sozialistischen Parteien sind teils im alten ökonomischen Denken befangen, teils derart mit den ungeheuren Problemen der Jetztzeit beschäftigt, dass sie gar nicht die Möglichkeit haben, uns anders als zunächst noch staunend oder abweisend gegenüberzutreten. Dennoch ist manches in diesen schweren Jahren erreicht worden. Doch das Erreichte ist weit entfernt von dem, was zur praktischen Durchführung unserer Aufgaben unerlässlich ist. Neben diesen gesellschaftlichen Schwierigkeiten verdient wohl die Behinderung der Arbeit durch unsere eigene Struktur die allergrößte Aufmerksamkeit.
Unsere psychologische Kritik Freuds setzte mit der klinischen Feststellung an, dass das unbewusste Inferno des Menschen nichts Absolutes, Ewiges, Unvergängliches ist; dass eine bestimmte gesellschaftliche Situation und Entwicklung die heutige unbewusste Struktur der Menschen erzeugt hat und sich durch sie erhält. Wir erkannten die Berechtigung der Angst vor dem „sexuellen Chaos“, doch wir begrenzten sie auf historische Perioden und überzeugten uns durch unsere therapeutische Arbeit, dass es eine andere Art der Regelung menschlichen Zusammenseins geben kann. Wir haben uns nie der Illusion hingegeben, dass das Böse im Menschen von heute auf morgen zu verändern wäre. Wir gaben uns Rechenschaft über die ungeheuren Schwierigkeiten, die eine politische Psychologie zu gewärtigen hat, wenn sie sich vornimmt, die Umwälzung der menschlichen Struktur durchzusetzen. Wir selbst, die wir uns derartige Ziele gesetzt haben, sind nur allzu sehr den Schwächen unserer Struktur unterworfen. Wir haben es nicht leicht, mit ihr fertig zu werden, um besser gerüstet zu sein, den Wirkungen des Irrationalen unserer Mitmenschen korrekt zu begegnen.
Die Psychoanalyse ist eine Wissenschaft, die einmal an den Quellen des Lebens arbeitete. Dass sie sich ihrer politischen Natur nicht bewusst wurde, trug ganz wesentlich zur Katastrophe bei. Daraus zogen wir den korrekten Schluss: eine Wissenschaft, die das lebendige Leben selbst zum Gegenstand ihrer Forschung hat, muss in einer reaktionären Umwelt sich entweder unterwerfen und sich selbst untreu werden, oder aber sie muss sich organisieren, d.h. sich Organe schaffen, die sie in Zukunft sichern.
Die marxistische Wirtschaftslehre organisierte sich politisch. Auf dem Gebiete der politischen Ökonomie weckt die politische Organisierung der Wissenschaft kein Erstaunen. Anders auf anderen Gebieten. Hier hat die Illusion von der unpolitischen Wissenschaft der Klarheit viel geschadet. Die Wissenschaft vom Geschlechtsleben der Menschen ist an sich politisch, ob sie will oder nicht, daher muss sie die Konsequenz ziehen und sich zu ihrer politischen Natur bekennen. Aus dem politischen Bekenntnis folgt die Notwendigkeit der Organisation. Der Schatz an Erkenntnissen wird nicht mehr irgendwelchen Stadien gesellschaftlicher Entwicklung ausgesetzt, sondern eingereiht in diejenige politische Bewegung, die sich die Durchführung der wissenschaftlichen, rationalen Lenkung der Gesellschaft zum Ziele setzte. Man mag das Wuchern des irrationalen Denkens innerhalb der sozialistischen Bewegung mit Sorge verfolgen, es steht außer Frage, dass die naturwissenschaftliche Psychologie und die korrekte Sexualwissenschaft ihren Platz einzig in dieser Bewegung haben. Daran wird niemand zweifeln, der die Entwicklung des Mystizismus in Deutschland und seinen Einfluss auf die naturwissenschaftliche Forschung verfolgt hat. Wir können heute nicht wissen, in welchen Formen sich die Organisierung unserer wissenschaftlichen Arbeit in der breiten Masse der Bevölkerung vollziehen wird. Doch die Notwendigkeit, sich eine Massenbasis zu schaffen, ist nicht zu zweifeln. Das wird nicht nur ein Schutz gegen reaktionäre Einflüsse von außen her sein, sondern uns selbst vor Kompromissen mit der feindlichen Umwelt bewahren. Wenn man ohne sozialen und politischen Einfluss dasteht, dann erweist sich die Umwelt als die stärkere Macht. Haben jedoch die Menschen, auf die es ankommt, den Wert einer wissenschaftlichen Arbeit für ihr Sein und ihre Zukunft erfasst, dann erleichtern sie den Kampf und verringern den Zwang der feindlichen Welt. Niemand kann seiner selbst sicher sein, natürlich auch wir nicht. Wenn wir in einer Zeit, die günstig war, etwa die Notwendigkeit des befriedigenden Liebeslebens in der Pubertät vertreten haben, so könnte eine andere Zeit es zuwege bringen, uns von dieser Behauptung zu trennen und sie vielleicht sogar in das Gegenteil zu verkehren. Wenn aber eine genügend große Masse von Jugendlichen unsere Lehre über die Pubertät in sich aufgenommen hat und für sie einzutreten bereit ist, dann bleibt uns ein Rückzug erspart. Unsere wissenschaftliche Arbeit wird ihrer Bestimmung zugeführt. Dieses Beispiel genüge, um zu illustrieren, was gemeint ist.
Die soziale Verankerung unserer wissenschaftlichen Arbeit verspricht noch einen anderen Gewinn. Freud ging von der Physiologie aus und entdeckte die Natur des Psychischen. Unsere Kritik an der Psychoanalyse setzte an den gesellschaftlichen Auffassungen Freuds an. Indem wir die Beziehung des Gesellschaftlichen zum Psychischen konsequent aufdeckten und verfolgten, ergaben sich reichliche Früchte auch für die klinische Arbeit. Es entstand eine grundlegend neue Art, die Gesetze des geschlechtlichen Lebens zu studieren. Die Orgasmuslehre führte mit innerer Logik wieder in die Physiologie und Biologie. Wir können noch nicht absehen, welcher Natur die endgültigen Resultate dieser Forschung sein werden. Die Entwicklung ist in vollem Flusse, die Ergebnisse sind ungewohnt, die biophysiologische Unterbauung der Psychologie scheint zu gelingen. Wir dürfen schon heute sagen, dass wir eine der wichtigsten Erwartungen Freuds sich erfüllt sehen: die Lehre vom Seelenleben wird voraussichtlich auf ein festes biologisches Fundament gestellt werden können. Allerdings in einer anderen Weise, als man es sich gewöhnlich vorgestellt hatte.
Derart tragen wir eine doppelte Verpflichtung. Der Bewahrung und der praktischen Durchsetzung der revolutionären Errungenschaften Freuds fügt sich die Sicherung unserer eigenen sexualökonomischen Forschung an. Wenn wir es zuwege bringen werden, der Masse der arbeitenden, darbenden, glücksberaubten Menschen verständlich zu machen, woran wir arbeiten und weshalb wir so schwer zu kämpfen haben, dann – daran ist nicht zu zweifeln – wird sie auch einmal für uns eintreten, als gesellschaftliche Macht unsere Arbeit vor äußeren und inneren Gefahren schützen und selbst die Früchte der Naturwissenschaft vom lebendigen Leben einheimsen.
Mögen die Auseinandersetzungen zwischen der Psychoanalyse und der Sexualökonomie noch so schwer, ja kränkend gewesen sein. Es wird nie den Grund bilden können, zu vergessen, was wir der Lebensarbeit Freuds verdanken. Denn niemand weiß besser als wir, niemand erfährt schmerzlicher als wir, weshalb die Welt Freud seinerzeit verdammte und heute der kämpferischen Wirklichkeit entrückt.
Quelle:
Bernfeld, Siegfried / Fromm, Erich / Reich, Wilhelm: Revolutionäre Schriften II: Dialektischer Materialismus und Psychoanalyse. Underground Press L, Berlin 1968. Seite 104 – 109.
Trotz Wahlkampfhektik, der Abwicklung kritischer Sexualwissenschaft und Streit der psychoanalytischen Schulen: Freud darf nicht vergessen werden!!!
Tobias Schmidt
P.S.: Diesen leicht überarbeitete Text hatte ich vor etwa drei Monaten für die Vorstudiensammlung meiner Diplomarbeit entworfen…
„Nur denn aber erstlich siehet man, wie man Situationen hätte nutzen können, die man nicht genutzt hat: und so hatte ich mir jetzt schön sagen: ei! wenn du die Bibliothek beßer genutzt hättest ? wenn du in jedem, das dir oblag, dir zum Vergnügen, ein System entworfen hättest ? in der Geschichte einzelner Reiche — — Gott! wie nutzbar, wenn es Hauptbeschäftigung gewesen wäre! in der Mathematik — — wie unendlich fruchtbar, von da aus, aus jedem Theile derselben, gründlich übersehen, und mit den reellsten Känntnißen begründet, auf die Wißenschaften hinaus zu sehen! — — in der Physik und Naturgeschichte — — wie, wenn das Studium mit Büchern, Kupferstichen und Beispielen, so aufgeklärt wäre, als ich sie hätte haben können — und die französische Sprache mit alle diesem verbunden und zum Hauptzwecke gemacht! und von da aus also die Henaults, die Vellys, die Montesquieu, die Voltaire, die St. Marcs, die La Combe, die Coyers, die St. Reals, die Duclos, die Linguets und selbst die Hume’s französisch studirt; von da aus, die Buffons, die D’Alemberts, die Maupertuis, die la Caille, die Eulers, die Kästners, die Newtone, die Keile, die Mariette, die Toricelli, die Nollets studirt; und endlich die Originalgeister des Ausdrucks, die Crebillons, die Sevigne, die Moliere, die Ninons, die Voltaire, Beaumelle u. s. w. hinzu gethan — das wäre seine Laufbahn, seine Situation genutzt, und ihrer würdig geworden! Denn wäre diese mein Vergnügen und meine eigne Bildung; nie ermüdend, und nie vernachläßigt gewesen ! Und Mathematische Zeichnung, und französische Sprachübung, und Gewohnheit im historischen Vortrage dazu gethan! — Gott! was verliert man, in gewissen Jahren, die man nie wieder zurückhaben kann, durch gewaltsame Leidenschaften, durch Leichtsinn, durch Hinreißung in die Laufbahn des Hazards.
Ich beklage mich, ich habe gewisse Jahre von meinem Menschlichen Leben verlohren: und lags nicht blos an mir sie zu genießen ? bot mir nicht das Schicksal selbst die ganze fertige Anlage dazu dar ? Die vorigen leichten Studien gewählt, französische Sprache, Geschichte, Naturkänntniß, schöne Mathematik, Zeichnung, Umgang, Talente des lebendigen Vertrages zum Hauptzwecke gemacht — in welche Gesellschaften hätten sie mich nicht bringen können ? wie sehr nicht den Genuß meiner Jahre vorbereiten können ? — Autor wäre ich alsdenn Gottlob! nicht geworden, und wie viel Zeit damit nicht gewonnen ? in wie viel Kühnheiten und Vielbeschäftigungen mich nicht verstiegen ? wie viel falscher Ehre, Rangsucht, Empfindlichkeit, falscher Liebe zur Wißenschaft, wie viel betäubten Stunden des Kopfs, wie vielem Unsinn im Lesen, Schreiben und Denken dabei entgangen ? — Prediger wäre ich alsdenn wahrscheinlicher Weise nicht oder noch nicht geworden, und freilich so hätte ich viele Gelegenheit verloren, wo ich glaube, die besten Eindrücke gemacht zu haben: aber welcher Übeln Falte wäre ich auch damit entwichen! Ich hätte meine Jahre gemessen, gründliche, reelle Wißenschaft kennen, und Alles anwenden gelernt, was ich lernte. Ich wäre nicht ein Tintenfaß von gelehrter Schriftstellerei, nicht ein Wörterbuch von Künsten und Wißenschaften geworden, die ich nicht gesehen habe und nicht verstehe: ich wäre nicht ein Repositorium voll Papiere und Bücher geworden, das nur in die Studierstube gehört. Ich wäre Situationen entgangen, die meinen Geist einschlössen und also auf eine falsche intensive Menschenkänntniß einschränkten, da er Welt, Menschen, Gesellschaften, Frauenzimmer, Vergnügen, lieber extensiv, mit der edlen feurigen Neubegierde eines Jünglinges, der in die Welt eintritt, und rasch und unermüdet von einem zum ändern läuft, hätte kennen lernen sollen. Welch ein andres Gebäude einer andern Seele!“
(Johann Gottfried Herder, 1769)
Neues aus Tobis Theorie-Ursuppen-Küche…
Heute: Ciorbă de cartofi dreasă cu smîntînă şi Günter Schreiner, Janusz Korczak, Helen Keller şi Fanta4 şi taz
Alle Zutaten in einen großen Kupferkessel geben, aufkochen, ordentlich umrühren und mit Wasser und Kaffee nach eigenem Geschmack verfeinern. Ordentlich Salz in die Suppe und Sand ins Getriebe der Gedankenmaschine. Fertig!!!
Wie der Presse unlängst zu entnehmen war, hängt also die Chancengleichheit im Schulsystem nicht nur vom ökonomischen, sozialen und kulturellen Kapital ab, sondern auch noch vom symbolischen – Kevin mit Cindy allein zu Haus…
Das sind ja mal Neuigkeiten! Da ist ja wohl in dieser Prägnanz noch nicht mal Pierre Bourdieu draufgekommen!
„Maria Zillig überprüfte Diktathefte von sehr guten und sehr schlechten Schülern: Bei den guten Schülern waren 39%, bei den schlechten aber nur 12% der Fehler übersehen. […] In diese stereotype Vorbeurteilung des Schülers gehen dabei offensichtlich Faktoren ein, die für die Leistung an sich irrelevant sind. […] Am frappierendsten erscheint mir in dieser Hinsicht das Experiment von Weiß. […]
Bei verschiedenen Lehrerarbeitsgemeinschaften in 16 verschiedenen Orten Oberösterreichs ließ Weiß 2 Aufsätze und 2*4 Rechenaufgaben verteilen, die von Schülern des 4. bzw. 5. Schuljahres bearbeitet worden seien. Er fügte den Aufsätzen folgenden Hinweis hinzu:
„Der erste stammt von einem durchschnittlichen Schüler (beide Eltern berufstätig, liest gern Schundhefte), der zweite von einem sprachlich begabten Buben (Vater Redakteur bei einer großen Linzer Tageszeitung).“
In einem Hinweis zu den Rechenaufgaben wurde ein Schüler als sehr begabter Viertkläßler, der andere als mittelmäßiger, schmutziger Fünftkläßler beschrieben.“
Wie dieser Versuchsaufbau anno 1965 weiter geht und welche „überraschenden“ Ergebnisse dabei herauskamen, lässt sich nachlesen bei Günter Schreiner in: Andreas Flitner / Hans Scheuerl [Hrsg]: Einführung in pädagogisches Sehen und Denken. Überarbeitete Neuausgabe, März 1984. 10. Auflage. Piper, München 1984. Seite 158 – 172.
Ebenda, Seite 9 – 11, der schöne Erfahrungsbericht von Helen Keller über ihr Erlernen der Sprache:
„Der wichtigste Tag, dessen ich mich zeit meines Lebens erinnern kann, ist der, an dem meine Lehrerin, Fräulein Anne Mansfield Sullivan, zu mir kam. Ich kann kaum Worte finden um den unermeßlichen Gegensatz in meinem Leben vor und nach ihrer Ankunft zu schildern. Es war der 3. März 1887, drei Monate vor meinem siebenten Geburtstag.“
Ebenda, Seite 19 und 20, einer der größten Demokratietheoretiker, deren Werke ich die Gnade hatte, studieren zu dürfen: Janusz Korczak: Wer kann Erzieher werden? Die Antwort: „Alle Tränen sind salzig, wer das begreift, kann Kinder erziehen, wer das nicht begreift, kann sie nicht erziehen.“ So einfach ist das…
Lesetipp I: Die aktuelle taz von vorne bis hinten…
Lesetipp II:
http://www.marco-schueler.de/musik/songtexte/die_fantastischen_vier_-_sommerregen.htm
Hörtipp:
http://www.trilulilu.ro/chien/8170c5dd5e79cb
Filmtipp:
Die Biene Maya und ihr Willi-Tobi
Getränketipp:
Borges Tawny Port
In diesem Sinne,
wünscht Urquell-Chefkellner Tobi guten Appetit…
„For millions of years mankind lived just like the animals.
Then something happened witch unleashed the power of our imagination.
We learned to talk…“
(Stephen Hawking)
„Ja, so war es und war schön über alles menschlich Erdenkliche hinaus, war eines jener diamantenen Strahlenbüschel, mit denen das Tor des Paradieses manchmal unversehens aufspringt oder doch eine Ritze öffnet, einen Augenblick lang. Und es blieb schön, wiewohl Karly eigentlich gar nicht besonders froh war, mich nicht etwa gnädig empfing – sie hatte es nicht gern, wenn ich zu nicht vorbesprochener Stunde in dieses Café des Fluches kam, es sah ihr ein wenig nach „Überwachung“ aus, die sie aus allen Kräften haßte. „Geh, geh“, sagte sie, „dazu bist du nicht jung genug. Das paßt nicht für dich.“ Sie ließ gern die Saite unseres Altersunterschiedes brummend vibrieren. Aber auch das fügte sich, als irdisch Trübendes, in diesen Moment der äußersten Freude gut mit ein. Das Diamantene allein auszuhalten wäre vielleicht über meine Kräfte gegangen. Eine gewisse Bittersüßigkeit hingegen färbte alles, was Karly anging, auf anmutige Art und so erkannte ich eben ihr unnachahmliches Aroma auch in dem wieder, was weh tat, nicht im Wohltuenden allein.“
(Max Brod: Prager Tagblatt – Roman einer Redaktion)
Liebe hopowatch-Gemeinde,
dies wird wohl für die nächste Zeit mein letzter längerer Beitrag aus der Kategorie „Tobis Diplomarbeitsbaustelle“ werden.
Im schönen, bereits an anderer Stelle angeführten Reklam-Heftchen „Die Menschen stärken, die Sachen klären“ vom hochgeschätzten Kollegen Hartmut von Hentig leitet er seinen ersten Aufsatz sinngemäß etwa folgendermaßen ein: Er habe nun bergeweise seine Bücher gewälst, hier und da und dort herumgelesen, doch irgendwann muss der Punkt kommen, an dem das Schreiben beginnt.
Inzwischen läuft mein Rechner wieder mittelprächtig – mit ubuntu -, meine an allen mögliche (Arbeits-)Stellen verteilten Bücher warten griffbereit im Regal, die Reader sind vorsortiert, mein bildungspolitisches 04/05-Pressearchiv ohnehin, die jüngere Presse versperrt chronologisch-schwergewichtig das halbe Sofa – einzig am Zugang zum Internet hapert es noch…
… aber ich bin zuversichtlich, dieses Problem auch die nächsten Wochen in den Griff zu bekommen.
Ich bin ja die letzten Wochen, zunächst provoziert durch ein Missverständnis, erst schleichend, dann immer expliziter, mit meinen Vorstudien zur Diplomarbeit hier nach hopowatch umgezogen. Quasi meine Variante, trotz kaputten Rechner irgendwie weiter arbeiten zu können.
Wenngleich zunächst oft genau die Bücher, mit denen ich arbeiten wollte, immer an einem anderen Ort lagerten, so ging es doch weiter. Und mein zunehmend feuilletonistischer Schreibstil liegt sicherlich auch darin begründet, dass – wenngleich die geliebten Bücher fehlen – zumindest die Tagespresse Anregungen lieferte – und das nicht zu knapp. Denn wie so oft in Sommerloch- und Wahlkampfzeiten hat das Thema Bildung plötzlich wieder Konjunktur. Der Streik der Erzieher_Innen, die erste Phase des Bildungsstreiks sowie das zehnjährige Bologna-Jubiläum dürften ihr übriges dazu getan haben.
Es wird wohl im Jahre 2004 gewesen sein, als ich im Semesterspiegel eine Leseempfehlung veröffentlichte. Im in meinen Augen nach wie vor aktuelle Bändchen „Universität ohne Zukunft?“, herausgegeben von Dorothee Kimmich und Alexander Thumfart, handelt der letzte Aufsatz vom Dresdner Literatur- und Medienwissenschaftler Detlev Schöttker unter anderem von der Geschichte des deutschsprachigen Feuilletons und seiner Beziehung zur Welt der Wissenschaft und ihrer Institutionen und Protagonist_innen. Schöttker lässt den heutigen Leiter des Feuilletons der SZ zu Wort kommen:
„»Es gibt ein Wort für die Grenzenlosigkeit des Feuilletons« und dieses Wort lautet: »erweiterter Kulturbegriff«, schreibt z.B. Thomas Steinfeld, der den Weg vom freien Mitarbeiter zum Leiter des Literaturblattes gegangen war. Eine solche Konzeption gehöre »seit den frühen 80er Jahren zum Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung«, dem, wie der Verfasser hinzufügt, »vermutlich größten Feuilleton der Welt«. Diese sei der »französischen Vorstellung von Intellektuellen verwandt«. […]
Die hier anvisierte Idee des gelehrten Schriftstellers, der sich von der etablierten Wissenschaft entfernt hat und diese dennoch im Auge behält, hat das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in den neunziger Jahren geprägt. Man wird hier nicht nur an französische Intellektuelle, sondern auch an die Mitarbeiter der Frankfurter Zeitung oder sogar an deutsche Philosophen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts wie Hegel oder Georg Simmel denken. Sie alle haben ihren Lebensunterhalt zeitweise durch Tätigkeiten für Zeitungen bestritten und diese zugleich als Forum der Auseinandersetzung mit der etablierten Wissenschaft genutzt. Ihre Beiträge waren deshalb meist über den Tag hinaus von Bedeutung. 1925 hat Joseph Roth diese Idee einer tagesübergreifenden Bedeutung des Feuilletons als »Einbruch des Journalisten in die Nachwelt« charakterisiert.“
Und Detlev Schöttker schließt seinen Aufsatz mit einem Ausblick:
„Es ist anzunehmen, dass sich die Profilierungs- und Deutungskämpfe zwischen den Feuilletons der überregionalen Zeitungen in den nächsten Jahren fortsetzen werden, da die Redaktionen duch die Zeitungskrise zunehmend unter Legitimationsdruck geraten und sich stärker ihren Gegenständen zuwenden müssen, anstatt sich mit deren akademischen Repräsentanten auseinanderzusetzen. Die zur Kultur- und Medienwissenschaft gewandelte Geisteswissenschaft könnte von dieser Entwicklung profitieren, wenn ihre Vertreter sich an die Kunst der Zeitungskritik erinnern, sich also wieder stärker mit den Deutungen der Feuilletons auseinandersetzen als nur ausführende Organe von Aufträgen der Redaktionen zu sein. Aus »schlechten Zeiten« zugleich »gute Zeiten« der Analyse zu machen, war schon immer die Kunst des Feuilletons und seiner kritischen Leser.“
Mir scheint, dass die Qualitätspresse aktuell hinsichtlich des Niveaus und der Streitlust eher gute Zeiten zu haben scheint. Eher ein „allgemeines Feuer“, wie es sich Adolph Diesterweg einst wünschte. Selbst die BILD-Zeitung bringt plötzlich mal nen Boy auf Seite eins…
Womit ich bei den tagesaktuellen Themen angelang wäre. Und als Kommentar zur Bundestagswahl zitiert der Tobias mal den Tobias, und zwar auf meine rätselhafte Weise, und zwar zitiert aus der Danksagung für das nach wie vor nur langsam in die Pötte kommende Projekt „Vorstudien / Materialsammlung“ in Printform für eine geneigte Leserschaft, die mit dem Erwerb des geplanten bildungspolitischen Lesebuches den Tobi steinreich machen will: „Respektvolle und solidarische Grüße an Urs F. und Stefan R. aus dem StuPa. Ihr habt wenigstens Humor und Stil, und darüber hinaus ein Verantwortungsbewusstsein, das meinen, zugegebener Maßen sehr sehr hohen, Ansprüchen voll befriedigend genügt!!!!!“ Und damit keine falschen Missverständnisse entstehen: Die letzte Änderung an der Danksagung wurde am 27.07. verfasst, und garantiert wird das ganze vor Drucklegung nochmal grundlegend überarbeitet…
Als Abschluss und Ausblick noch ein Zitat aus der FAZ:
„Als die europäischen Bildungsminister sich vor zehn Jahren an einer der alten europäischen Universitäten, in Bologna, über einen europäischen Hochschulraum und ein gestuftes Studiensystem verständigten, konnten sie nicht ahnen, dass sie damit die Idee der europäischen Universität begraben würden. […]
Vieles, was oberflächlich betrachtet die Selbständigkeit der Universitäten zu stärken scheint, etwa die eigene Dienstherreneigenschaft mit dem Recht auf Berufung, wird durch sogenannte Zielvereinbarungen zunichtegemacht. Unter dem Deckmantel der Autonomie verengen sich Freiräume zusehends. Dennoch gibt es Versuche, die Bologna-Erklärung freier auszulegen, Diplome beizubehalten und Neues auszuprobieren. Wann bringen alle Fachbereiche den Mut dazu auf?“
(Heike Schmoll: Bologna: Idee und Wirklichkeit. Leitartikel in der FAZ vom 19.06.09)
In diesem Sinne
euer Tobias
[…] 9 listen zu den sp-wahlen an. es bleibt also listentechnisch fast alles beim alten. immerhin eine neu gegründete liste bringt ein kleines bisschen frischen wind in die listenlandschaft, während sich eine weitere liste […]